Management & Tourismus, Seilbahn & Technik
Das Image verbessern: Mit Strom aus der Strömung
Die Begriffe „innovativ“ und „nachhaltig“ klingen mittlerweile abgedroschen, der Bezug von Ökostrom lockt keinen Skigast mehr hinter dem Ofen hervor – geschweige denn auf die Pisten.
Denn der Kauf von Ökostrom verändert ja nichts am Strommix insgesamt. Im Dickicht dieses Greenwashings müssen Skigebiete ein Alleinstellungsmerkmal finden, um tatsächlich als kreativ, innovativ und nachhaltig zu gelten.
Eine neue Chance könnte hier das Pilotprojekt des Seilbahnherstellers Enrope sein. Er entwickelt derzeit ein Strömungskraftwerk mit Seilbahntechnik – und sucht mutige Skigebiete, die sich als Projektpartner zu der Idee bekennen.
Kaum genutzte Energiequelle
Hintergrund des Projekts ist der Klimaschutz und die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen – die in den vergangenen Wochen zusätzlich an politischer Brisanz gewonnen hat.
Hier kommt die Meeresenergie ins Spiel. Sie ist eine gigantische, bislang fast völlig ungenutzte Energiequelle. Laut Europäischer Kommission soll sie bis 2050 zehn Prozent des europäischen Strombedarfs abdecken und 400.000 neue Industrie-Arbeitsplätze schaffen.
Neben der Nutzung der Temperaturunterschiede, des Salzgradienten, der Wellen oder des Tidenhubes wird auch auf den Energiegehalt der Strömungen (tidal current) gesetzt.
CableKites
So könnte der Prototyp „CableKites“, ein Strömungskraftwerk mit Seilbahntechnik, aussehen. Skigebiete sollen zu den ersten Stromkunden gehören.
Potential
Eine Wasserströmung von 2,5 m/s entwickelt beispielsweise Kräfte wie 350 km/h Wind. Diese Ressource steht dabei völlig unabhängig von Jahreszeit, Sonneneinstrahlung oder Wind zur Verfügung und soll mit 15,7 Gigawatt beitragen. Dies entspricht dem Verbrauch von rund 15 Millionen Haushalten.
Strom durch Profile am Seil
Dieses Potential will die Firma ENROPE nun ausgerechnet mit Seilbahntechnik heben. „Wir sind Seilbahn-Enthusiasten und sehen – auch mit Blick auf die bereits vorhandenen Technologien – zahlreiche Vorteile des Systems“, berichtet Geschäftsführer Peter Glasl.
Konkret werden Strömungsprofile entlang eines Seiles gereiht. Dadurch entsteht eine große Angriffsfläche für die Wasserströmung. Die kraftvolle Bewegung der Profile kann über eine Seilbahn gebündelt und auf Strom-Generatoren übertragen werden.
„Gedanklich ersetzen wir die Sitzbänke eines Sesselliftes durch Strömungsprofile. So entstehen Drachen, die sich in die Strömung legen. Ähnlich wie bei einem Kite-Surfer könnte aus moderater Anströmung schnelle und kraftvolle Vorwärtsbewegung entstehen“, so Glasl.
Über das Seil würde die enorme Zugkraft gebündelt und schlussendlich über die Umlenk-Seilscheiben an Generatoren abgegeben.
Erste Tests
Versuche in einem Sägewerkskanal.
Geplante Konstruktion
Die Strömungsprofile aus Aluminium-Strangguss sollen an Gehängestangen hängen. Dadurch entstehen einfache und robuste Lenkdrachen (Kite) mit bis zu fünf Meter Spannweite, die kursstabil von Seilklemmen geführt werden.
Eine einfache Seilschleife vermeidet zerstörerische Verspannungen. Der Abtrieb im Wasser wird genutzt, um das Förderseil im Ruhezustand auszurichten und vorzuspannen.
„Wir versuchen auf weitere Spannanlagen und Zwischenstützen zu verzichten“, so Glasl. Stations-Schwenkachsen ermöglichen den Strömungsprofilen, die komplette bis zu 300 Meter lange Seilschleife in der wechselnden Gezeit auszurichten.
Damit wird ein ungehinderter Umlauf möglich. Bereits an Land wird die Seilschleife fertig gespleißt und die Stationen auf schwimmbaren Plattformen montiert. Auf dem Meer wird das System mit maritimer Technik verankert.
Um auch starken Oberflächenwellen zu trotzen, wird die komplette Technik flexibel aufgehängt und gleichzeitig sicher abgesenkt.
Erste Studie liegt bereits vor
Erste Modelltests der Kites wurden mit Schleppversuchen in ruhendem Wasser und in einem Strömungskanal durchgeführt. Hierbei konnte ENROPE die Ausrichtung in der Strömung und die Umfahrung der Umlenkstation simulieren.
Die vorausgegangenen Überlegungen haben sich bestätigt. Die Kites richten sich selbstständig in der Anströmung aus und umrunden die Umlenkscheibe problemlos ohne großes Ausschwenken.
Sie stützen sich dabei an dem dichten Wasser ab. Die Zentrifugalkräfte sind vergleichsweise niedrig. „Eine Vielzahl von Versuchen hat gezeigt, dass die Neigetechnik hervorragend arbeitet. Schon bei superlangsamer Anströmung dreht die Seilschleife zur Seite und ermöglicht die kollisionsfreie Fahrt der Kites“, berichtet Glasl.
Die Strömungsprofile werden zudem sehr schön vom Förderseil ausgerichtet, sodass sich die Zugkraft in die richtige Richtung aufbauen kann.
Prototyp im alpinen Fluss oder Kanal
Ziel ist nun ein Prototyp des Strömungskraftwerks „CableKites“. Er soll maximal 15 Meter lang, 2,4 Meter breit und drei Meter hoch sein.
Somit lässt sich der Prototyp fertig montiert auf einem Fernzug an einen alpinen Kanal oder Fluss bringen – und für Verbesserungen schnell und kostengünstig zurück in die Werkstatt.
Ähnlich wie beim Versuchsaufbau wird der Prototyp an einen Fachwerkstruktur hängend ausgeführt. So kann die Anlage mit einem Autokran innerhalb von Minuten in und aus dem Wasser gehoben werden.
Mittlere und große Skigebiete gesucht
ENROPE sucht nun mittlere bis große Skigebiete, die sich zu der Idee bekennen – und so zu den ersten potentiellen Stromkunden zählen. Sie müssen selbst nicht über ein geeignetes Gewässer verfügen. Die Skigebiete treten vielmehr als Fürsprecher, Förderer und Schirmherren des Pilotprojektes auf – und können das Marketingtechnisch sehr gut verwerten. Nach dem Motto: „Wenn das Kraftwerk funktioniert sind wir die ersten, die davon Strom beziehen!“
Kontakt ENROPE GmbH
Peter Glasl, Tel +49 173 612 9072
info@enrope.com
enrope.com