Management & Tourismus, SI 1/2020
GEWERKSCHAFT VIDA: „ES GIBT EINE GANZE HERDE SCHWARZER SCHAFE!“
SI: Wie schätzen Sie die Personalsituation in der Berggastronomie ein?
Philip Wohlgemuth: Wie auch in der Gastronomie allgemein herrscht in der Berggastronomie Personalnot, insbesondere macht sich dabei auch ein Fachkräftemangel in den Gastronomieberufen bemerkbar.
Wurden in der Personalpolitik in der Vergangenheit Fehler gemacht?
Die Branche bekommt jetzt die Rechnung für jahrzehntelange Versäumnisse präsentiert. Schlechte Bezahlung, familienunfreundliche und lange Arbeitszeiten, geringe Aufstiegschancen und kaum Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung – mit diesen Rahmenbedingungen ist es natürlich schwer MitarbeiterInnen für die
Branche zu finden.
Man darf natürlich nicht alle Arbeitgeber in einen Topf werfen, es ist aber anzumerken, dass es nicht vereinzelte schwarze Schafe, sondern eine ganze Herde schwarzer Schafe gibt. Mit der schrittweisen Erweiterung der Mangelberufsliste und somit der Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland hat man das Lohn- und Sozialdumping weiter vorangetrieben.
Welche positiven Schritte wurden bereits gesetzt?
In den letzten Jahren wurden vermehrt kritische Stimmen zur Tourismus- und Gastronomiesituation laut, allerdings findet noch keine ehrliche und tiefgreifende Auseinandersetzung damit statt. Nach dem Motto „Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung“ wäre das eine wichtige erste Initiative.
Welchen Herausforderungen stehen Mitarbeiter in der Berggastronomie gegenüber?
Dass die Arbeitsorte in der Berggastronomie, wie es sich aus der Situation heraus begibt, oft an deutlich exponierteren Orten sind, erschwert die Personalsuche zusätzlich. Es ist daher notwendig, zusätzliche Anreize für MitarbeiterInnen zu schaffen, die die weite Anreise zum Arbeitsort kompensieren. Dazu kommt, dass eine Anreise teilweise nicht ohne eigenes Fahrzeug zu meistern ist.
Welche Vorteile haben sie dafür?
Die Stoß- und Stresszeiten sind eher abschätzbar, auch die Arbeitszeiten sind zum Teil nicht ganz so ausgedehnt wie in der klassischen Gastronomie.
Was muss die Branche tun?
Ich fordere schon seit langem ein „Zukunftsgespräch“ für die Branche mit Vertretern aller Sozialpartner und der Politik. Wir müssen wieder auf Qualität statt auf Quantität setzen, wir sind für unseren Qualitätstourismus bekannt, diesen müssen wir halten. Das heißt: Wir brauchen gut qualifizierte, ausgebildete, gesunde und motivierte MitarbeiterInnen, damit der Tourismus in Österreich nach wie vor an der Weltspitze rangiert. Die MitarbeiterInnen der Branche sind das Aushängeschild für unseren Tourismus!
Die Rahmenbedingungen für Jobs in der Branche müssen von Grund auf neu gedacht werden. Es benötigt eine wesentlich bessere Bezahlung, die den Ansprüchen der geleisteten Arbeit auch entspricht. Es benötigt Arbeitszeitmodelle, die den MitarbeiterInnen entgegen kommen, was in anderen Branchen längst schon Usus ist. Und es braucht eine Wertschätzung der Arbeit, die sich u.a. in Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten widerspiegelt.
Welchen Beitrag hat die Politik zu leisten?
Die Politik muss hier den Weg vorgeben, Initiativen setzen und Ideen einbringen. Eine wirkliche Verbesserung der Rahmenbedingungen und letztlich auch des Images der Branche muss aber aus der Wirtschaft heraus und in enger Zusammenarbeit mit der Sozialpartnerschaft gelingen.