Digitalisierung & Innovation, SI 1/2023
Grünenfelder: Digitaler Zwilling von Skigebieten
Viele Skigebiete sitzen auf großen Bergen an Daten, nutzen sie aber nicht effizient genug. Manche Informationen liegen bei Zulieferern, andere nur bei einer Abteilung und wieder andere sind gar nicht auf dem Radar.
„Die Bergbahnen besitzen umfangreiche Datensilos, haben aber nur bedingt die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen. Dabei birgt das Übereinanderlegen von Daten und das Entdecken von Korrelationen extrem viel Potential“, sagt Thomas Götz, Abteilungsleiter bei GRÜNENFELDER.
Das Schweizer Ingenieursunternehmen arbeitet deshalb an digitalen Zwillingen für Skigebiete. Zusammen mit Esri, dem US-amerikanischen Softwarehersteller von Geoinformationssystemen und die WEISSE ARENA BERGBAHNEN AG, zielen sie auf 3D-Karten von Skigebieten ab, in denen alle Informationen in Echtzeit georeferenziert eingebunden bzw. verlinkt sind.
Digtialer Zwilling:
Erfassen von kontrollierten Lawinensprengungen in 3D.
GIS-Daten als Basis
Das Geo-Informations-System (kurz: GIS) eines Skigebietes enthält alle räumlichen Daten, die für die tägliche Arbeit relevant sind: Geländeprofil, Pistenränder, Positionen der Schneekanonen, Schneibereiche, Wasserschächte, Ankerpunkte für Pistenfahrzeuge, Straßen, Leitungen, Gebäude und viele mehr. Diese GIS-Daten stellen die Basis für sämtliche Vorgänge und Entscheidungen im Skigebiet dar, betont Marco Larghi, Projektleiter bei GRÜNENFELDER:
„Ohne Geodaten kann man heute keine neue Seilbahn mehr bauen!” Auch Leitungen oder Wasserschächte für die technische Beschneiung benötigen georeferenzierte Daten. Weitere Beispiele sind die Standorte von Schutzmatten, die Lage von Speicherteichen oder die Positionierung von Gebäuden. Durch den Übergang zu Web- und Cloud-Computing und durch die Integration von Echtzeitinformationen zum Internet of Things (IoT) entwickelte sich GIS zu einer Datenbasis, die für fast alle Prozesse von Bedeutung ist, so Larghi weiter.
Dynamische Daten als Ergänzung
Hinzu kommen digitale Informationen aus unterschiedlichen Quellen, wie Ticketdaten, Gästedaten, Skifahrerdaten, Seilbahndaten, Wetterdaten, Energiedaten, Beschneiungsinformationen, Sicherheitstechnik, Schneetiefenmessung, Fahrzeugdaten aus dem Pisten- und Flottenmanagement oder Unfalldaten.
„Diese Datenberge in den Skigebieten sind historisch gewachsen und an unterschiedlichen Orten gespeichert. Unser Ziel ist eine fachspezifische Plattform, auf der alle Daten durch den Kunden selbst gesammelt und korreliert werden können”, sagt Götz.
Denn die Digitalisierung von Skigebieten ist ohne passende Daten wenig sinnvoll, Informationen sollten in vernünftiger Größe und ansprechendem Design analysiert werden können.
Kooperation mit US-Konzern
Deswegen arbeitet GRÜNENFELDER mit dem Esri R&D Center Zürich zusammen. „Wir verwenden seit Jahren Tools der Softwarefirma für unsere digitalen Produkte, nun setzen wir unsere Kooperation auf höherer Ebene fort,“ freut sich Götz.
Esri verspricht sich ebenfalls viel von dem digitalen Zwilling für Skigebiete:
„Wir sind überrascht, wie viele GIS-Daten Skigebiete bereits sammeln und sehen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für unsere Technologie”, sagt Arno Fiva, Entwickler im Esri R&D Center Zürich. Das Schweizer Forschungszentrum des kalifornischen IT-Konzerns hat sich auf 3D-Anwendungen spezialisiert, etwa für die Planung von Stadtentwicklungsprojekten oder die interaktive Visualisierung von Klimawandelfolgen – wie die Auswirkung einer Flut.
Der digitale Zwilling
Die 3D-Kompetenz von Esri und die Software- sowie Vermessungs-Erfahrung von GRÜNENFELDER sollen nun in digitalen Zwillingen von Skigebieten münden – in 3D, in Echtzeit, webbasiert.
Grundlage sind Satellitenbilder von Sommer wie Winter, Geländearten (Wasser, Schnee, Fels, Wald) und bereits erfasste 3D-Modelle von Gebäuden. „Bisher erfolgt bei Bergbahnen kein zentrales Management der Daten”, so Larghi.
In Zukunft könnten jedoch durch Schnittstellen Informationen aus verschiedenen Datenquellen innerhalb eines Skigebietes miteinander verknüpft und analysiert werden. So werde ein Mehrwert für den Betreiber generiert.
„Die daraus entstehenden Informationen und Anwendungen sind dann die Basis für weitere Entscheidungen und Aktionen im Management eines Skigebietes”, betont Götz.
So wird mehr aufgrund von Fakten entschieden, etwa wieviel technischer Schnee produziert und wie er verteilt werden soll, indem Schneehöhe und Wasserdurchsatz korreliert werden: „Entschieden wird auf Faktenbasis und nicht nach Bauchgefühl!“
Der Prototyp des digitalen Zwillings wird auf der nächsten Esri Konferenz (Esri Developer Summit) vorgestellt.
„Wir werden zeigen, wie eine Seilbahn mit wenigen Mausklicks digital errichtet und auf Realisierbarkeit getestet werden kann”, nennt Fiva ein Beispiel. „Auch können viele Echtzeitdaten eines Skigebietes überwacht und analysiert werden. Beispielsweise kann der digitale Zwilling visualisieren, welche Retter unterwegs zu einem Skiunfallort sind.“
Mehr Informationen zu Esri‘s Technologie und Produkten finden Interessierte auf esri.ch.