Management & Tourismus
Das Hendl ist schlechter als der Schnee
Über 150 Branchenvertreter trafen sich kürzlich zur deutschen Seilbahntagung in Koblenz. Der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS) hat sich bewusst für die Stadt an Rhein und Mosel als Tagungsort entschieden, um das Thema „urbane Seilbahn“ in der Öffentlichkeit weiter voranzubringen.
Alpin lagen die Schwerpunkte auf Wertschöpfung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Dabei räumten die Redner mit Mythen auf, präsentierten spannende Fakten und gaben Lösungsansätze – zugeschnitten auf deutsche Skigebiete, die sich stärker als in anderen Ländern mit Klimawandel, öffentlicher Kritik und Rechtfertigungsdruck auseinandersetzen müssen.
Tagungsort Koblenz
Mit diesem Praxisbeispiel hofft der VDS, dass in Zukunft weitere urbane Seilbahnanlagen als nachhaltiges und innovatives Mobilitätsangebot zur Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs entstehen.
Wertschöpfung steigt
So stellte Dr. Bernhard Harrer, Vorstand des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e.V. an der Universität München (DWIF), seine aktuelle Wertschöpfungsstudie zum Thema Wirtschaftliche Effekte durch Seilbahnen vor.
Das Untersuchungsziel der Studie war die Gesamtheit der volkswirtschaftlichen Effekte durch Seilbahnnutzer in der Sommer- und Wintersaison in Deutschland. Die Studie belegt unter anderem, dass sich der Wertschöpfungseffekt bzw. Einkommensmultiplikator durch Seilbahnen von 5,1 auf 5,3 erhöht hat.
Übertragen bedeutet das: Ein Arbeitsplatz bei der Seilbahn schafft bzw. sichert insgesamt 5,3 Arbeitsplätze in der Region.
95 Prozent Organisationsgrad
Der VDS-Vorstand freut sich, mit 85 Seilbahnunternehmen nahezu alle Betreiber in Deutschland zu vertreten. Hinzu kommen 42 Schleppliftbetreiber und 56 Firmen im Förderkreis der Zulieferindustrie.
Schneetourismus nicht gleichwertig ersetzbar
Über die Effekte des schneebasierten Tourismus im Sauerland referierte das Institut Montenius Consult. Demnach lässt sich der Schneetourismus nicht gleichwertig durch Wander- oder Radgäste ersetzen. Die Wertschöpfung eines Skigastes entspricht somit dem von 3,3 Wandergästen oder 5,8 Radtouristen. Alternative Tourismusformen wären zudem nicht ausreichend marktfähig und brächten bei vergleichbarer Wertschöpfung höhere Belastungen.
Der Schneetourismus hat zudem positive, soziale Effekte – er gilt als klassischer Familienurlaub. Über 40 Prozent der Skiurlauber sind mit ihren Kindern unterwegs – bei einem bundesweiten Anteil der Haushalte mit Kindern von nur 28 Prozent.
Der schnee- und eisbasierte Tourismus schafft laut Montenius unmittelbar Einkommen und (nicht verlegbare) Arbeitsplätze , steigert die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit der Standorte und initiiert Investitionen auch in Sommer- und Ganzjahresangebote. Refinanzierte Kommunalhaushalte sind ein weiterer Effekt.
Besuch der Seilbahn in Koblenz
Networking in der Rhein-Mosel-Halle
Beschneiung, Bier und Hähnchen im Vergleich
Montenius hat zudem die ökologischen Effekte alpiner Skigebiete untersucht. Basierend auf 32,65 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Ersteintritt entfallen nur 1,1 Prozent auf die Beschneiung, 84 Prozent dagegen auf Anreise, Verpflegung und Unterkunft – die auch bei alternativen Tourismusformen anfallen.
Bei Wasserbedarf und Wertschöpfung zog Montenius spannende Vergleiche: Die Beschneiung benötigt 650 bis 850 Liter Wasser pro Ersteintritt und generiert 30,45 Euro Umsatz mit Lifttickets pro Kubikmeter. Dabei wird das Wasser nur gebraucht – nicht verbraucht.
Eine Maß Bier verbraucht hingegen 300 Liter Wasser und generiert nur 2,93 Euro Umsatz pro Kubikmeter. Noch schlechter schneidet das halbe (!) Grillhähnchen ab. Dieses verbraucht 2.000 Liter Wasser und generiert lediglich 2,60 Euro Umsatz pro Kubikmeter.
Generell generiert der Schneetourismus 217,29 Euro Wertschöpfung pro Kubikmeter Wasser, die Gesamtwirtschaft 137,50 Euro: der Liter Abwasser pro Euro Wertschöpfung liegt bei 0,1 beim Skibetreib und 2,6 in der Gesamtwirtschaft.
Team PistenBully (von links): Karl Knab, Harald Schmid, Erwin Wieland, Nathalie Ehrmann, Rolf Glessing und Wolfgang Lutz.
Team Doppelmayr (von links): Dominik Knauder, Christian Kopf, Wolfram Auer und Hendrik Schütte.
Transformation im Tourismus
Während sich Montenius mit der Gegenwart beschäftigt, denkt Markus Redl von der ecoplus Alpin GmbH über die Zukunft nach. Der Betreiber mehrerer niederösterreichsicher Skigebiete entwarf Szenarien für den alpinen Tourismus 2030 und 2040 – mit und ohne Schnee.
Während sich aktuell alles um Inszenierung und ganzjährige Nutzung dreht, werden wir uns 2030 laut Redl mit urbanen Sportarten beschäftigen und 2040 mit vermehrt mit digitaler Besucherlenkung. Mehr dazu hier.
Schifffahrt auf dem Rhein – gesponsert von PistenBully
Konstantin Kühner (Jakob Rope Systems) am Klavier
Weitere Eventbausteine – Rückgang der Ersteintritte
Zudem referierten Ingo Strater vom deutschen Bundesverkehrsministerium über urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr, sowie Psychologe Rüdiger Maas über „Mitarbeiter finden und binden“.
Die Teilnehmer der Tagung hatten auch ausführlich Zeit, um sich in den diversen Gremien zu versammeln, die Seilbahn Koblenz zu besichtigen und Networking zu betreiben – etwa bei einer Schifffahrt auf dem Rhein.
Diskutiert wurde hier auch die Jahresbilanz der deutschen Seilbahnen: 6,6 Millionen Ersteintritte im Sommer 2022 bewirken einen Rückgang von 0,7 Prozent, 5,0 Ersteintritte im Winter 2022/2023 einen Rückgang von zehn Prozent. Die Nettoeinnahmen im Sommer stiegen um 6,2 Prozent auf 90,4 Millionen Euro, die Nettoeinnahmen im Winter sanken um zehn Prozent auf 100,4 Millionen Euro.