BergBahnCamp: Resonanz-Tourismus im Fokus

Was suchen Gäste am Berg und welche Erwartungen haben sie? Wie schafft man Erlebnisse mit Resonanzfaktor? In Vorträgen und Workshops wurde am Berg.Bahn.Camp 2024 dem Thema „Mensch am Berg“ auf den Zahn gefühlt.

Das Thema „Mensch am Berg: Was brauchen, wollen und wünschen sich Gäste, Mitarbeiter und Manager am Berg – heute & morgen?“ zog sich wie ein roter Faden durch das siebte Berg.Bahn.Camp 2024 in Andermatt (Schweiz).

Mehr als 80 Seilbahner, Touristiker und Zulieferer trafen sich zum intensiven Austausch mit verschneitem Panorama am Schneehühenerstock und im Radisson Blue Hotel Andermatt. Durch die dreitägige Veranstaltung führte Wolfgang Eder von MOUNTAIN EXCELLENCE.

Vom Alpensport zum Global Skiing?

Den Beginn der Veranstaltung markierte die Podiumsdiskussion im Radisson Blu Hotel Reussen. Skilegende Bernhard Russi, Moderator Wolfgang Eder und Skilehrer Martin Dolezal (Geschäftsführer der SNOWPORT ACADEMY) debattierten humorvoll über den Skisport – von Skihallen über die Skigebietsentwicklung bis zur Skilehrerausbildung.

Uneinig waren sich Russi und Dolezal, ob Skihallen die Zukunft für den Skisport seien. Open-Air-Skigebiete im Nahen Osten seien ebenfalls ein zweischneidiges Schwert.

Im Gütsch-Express: Skilegende Bernhard Russi (links) mit SI-Herausgeber Gerald Pichlmair bei der Aufnahme des Podcasts „Bergdialoge”.

Urban Camenzind, Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor im Kanton Uri, verlieh dem Berg.Bahn.Camp politische Relevanz.

Zum Auftakt debattierten (von links): Skilegende Bernhard Russi, Moderator Wolfgang Eder und Martin Dolezal, Geschäftsführer Snowsport Academy.

Gäste suchen Resonanzerfahrungen

Der zweite Tag startete mit einer Keynote von Trendforscherin Anja Kirig. Sie berichtete darüber, dass die Anzahl an Alleinreisenden zunimmt und Gäste dennoch Sehnsucht nach Beziehungen vor Ort haben.

„Ich stelle die These auf, dass wir in einer Welt leben, wo es an lebendigen Beziehungen mangelt“, so Kirig. Destinationen sollten daher inklusive Räume schaffen, in denen ein einfaches In-Kontakt-Treten mit langfristigen Erinnerungswert möglich wird.

Wertschöpfung Tourismus in Uri

Vor zwei Jahren wollte die Regierung des Kanton Uri wissen, wie steht es eigentlich um die Wertschöpfung im Kanton?

Im Fokus stand dabei vor allem Andermatt. Thomas Christen (Direktor Andermatt Tourismus) präsentierte am Berg.Bahn.Camp die relevanten Zahlen und warf einen Blick in positive und negative Zukunftszenarien – von hoher Wertschöpfung bis zu kalten Betten.

„In Zukunft spielt das Erfahren eine deutlich größere Rolle, als das kurzfristige Erlebnis“, schilderte Anja Kirig.

„Skilehrer vermitteln die Begeisterung für den Skisport. Eine internationale Ausbildung hat Priorität“, sagte Martin Dolezal, Geschäftsführer Snowsport Academy.

„Wir wollen unser Image stärken und unsere Mitarbeiter stolz machen“, so Barbara Smits von der Tourismusregion Wilder Kaiser.

Zufriedene Mitarbeiter und Gäste

Fred Fettner (Tourismus Wissen quarterly) präsentierte die Relation zwischen Bewertungen auf dem Reiseportal TripAdvisor und der Online-Plattform für Arbeitgeberbewertungen kununu.

„Unternehmen, in denen die Mitarbeiter einen hohen Zufriedenheitsgrad aufweisen, sind bei booking.com und TripAdvisor vorne gereiht. Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit bedeutet eine hohe Gesamtwertung, denn nur zufriedene Mitarbeiter liefern einen guten Service,” so Fettner.

Die Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen im Tourismus ist laut einer Studie der Wirtschaftskammer Österreich aber durchaus positiv zu sehen, setzt man sie in Vergleich mit anderen Branchen. Immerhin 17 Prozent würden ihren Job weiterempfehlen – in anderen Branchen liegt der Wert nur bei 10 Prozent.

Arbeiten in der Region Wilder Kaiser

Barbara Smits (Region Wilder Kaiser) schilderte im Anschluss, wie sich die Region neu aufstellt, um Menschen für das Arbeiten in der Hotellerie und Gastronomie zu begeistern. Mit Welcome & Offboarding Days, Feedback-Gespräche nach dem Praktikum und Mitarbeitervorteile will die Region Talente langfristig binden.

„Der Cluster Uri soll neue Arbeitsplätze schaffen und optimale Rahmenbedingungen für Unternehmen bieten“, erklärte Evelin Walker, Projektleiterin Standortförderung Uri.

„Damit sich die Gäste wohlfühlen, müssen Unternehmen für zufriedene Mitarbeiter sorgen“, appellierte Journalist Fred Fettner in seinem Vortrag.

„Die Erwartungshaltung der Gäste steigt. Ein Skilehrer betreut den Gast mitunter den ganzen Tag – und seine Kompetenz können wir beeinflussen“, erklärte Johann Reisenberger, Leiter internationale Ausbildung der Snowsport Academy.

Workshops zu relevanten Themen

Beim diesjährigen Berg.Bahn.Camp bestand neben den Vorträgen die Möglichkeit, mit Kleingruppen im Rahmen von Workshops noch tiefer in die Materie einzutauchen.

  • Der Workshop von INFOSOFT richtete seinen Fokus auf die komfortable Planung von Personal und deren Einsätzen sowie die Zeiterfassung.
  • Die Firmen REMEC & SISAG konzentrierten sich auf die Customer Journey und wie sich diese konkret am Beispiel der Ski Arena Andermatt- Sedrun noch verbessern lässt.
  • INCERT & VALANTIC AUSTRIA begaben sich mit ihren Teilnehmern auf die Suche nach den Pain-Points in E-Commerce- Angeboten und besprachen unter anderem den Schnittstellenstandard, damit die unterschiedlichen Systeme besser miteinander kommunizieren.
  • Gamification ist nicht einfach nur ein Spiel offerieren – jede Altersgruppe benötigt ihre eigenen Angebote. Wie das aussehen kann, haben die Teilnehmer im Workshop von KIDS & FUN CONSULTING ausgearbeitet.
  • Das Thema des FASZINATOUR-Workshops war die Notwendigkeit von attraktiven Angeboten, die auch ganzjährig funktionieren.

Der Workshop von INCERT & VALANTIC AUSTRIA bezog sich auf „Digital Travel – Next Level Customer Experience“.

Der Workshop von SISAG und REMEC mit der Ski Arena Andermatt-Sedrun behandelte die „Customer Journey“.

INFOSOFT präsentierte mit den Bergbahnen Lenzerheide die „Personalplanung und Zeiterfassung am Berg.“

Der Workshop FASZINATOUR trug den Titel: „Von Pisten zu Perspektiven: Adventure Parks als ganzjährige Besuchermagnete.“

Der Workshop Kids & Fun Consulting befasste sich mit „Gamification und Storytelling: Erfolgreiche Erlebnisweggestaltung.“

Der Workshop der 360° Perspektiven arbeitete mit dem Thema „Interaktive & 360° Experiences erleben.“

Schneesportlehrer relevant

Über das Thema, warum Schneesportlehrer für den Skisport wirtschaftlich relevant sind, referierten Martin Dolezal (Geschäftsführer) und Johann Reisenberger (Leiter internationale Ausbildung) von der SNOWSPORTS ACADEMY.

So sind Skilehrer kulturelle Botschafter, die zunehmend auch internationaler werden und unverzichtbar sind, weil sie den Nachwuchs ins Skigebiet bringen. Sie haben jedoch mit Herausforderungen, wie einen unsicheren Saisonstart und Zeitdruck in der Ausbildung, zu kämpfen.

Status Quo der Skischule Andermatt

Ruedi Baumann sprach daraufhin über die Geschichte der Skischule in Andermatt, die Ausbildung an Schweizer Skischulen und den Führungswechsel in seinem Unternehmen, das nun Teil der Bergbahn ist.

„Wir wollen das Worst-Case-Szenario – nur zehn Prozent Einheimische in Andermatt– vermeiden“, sagte Tourismusdirektor Thomas Christen.

Skifahren mit gutem Gewissen: TECHNOALPIN zeigte, warum die technische Beschneiung besser ist als ihr Ruf und lieferte Fakten dazu.

Martin Fuhrer (links) und Sebastian Frautschi sorgten für Inputs von Seiten der ZAUGG AG EGGIWIL und nutzten die Zeit zum Netzwerken.

Einen Ägypter für Andermatt begeistern

Was es gebraucht hat, damit sich der ägyptische Investor Samih Sawiris für Andermatt interessiert, schilderte Ständerat Josef Dittli am zweiten Abend. Er sprach über die ersten Treffen mit dem ausländischen Investor, die Überzeugungsbemühungen in der Schweizer Politik und Kurioses rund um den langen Prozess.

Kleinseilbahnen: Erhaltenswerte Juwelen?

Am dritten Tag brachte Roland Lymann von der Hochschule Luzern den Teilnehmern den Erhalt von Kleinseilbahnen als touristische Juwelen näher.

Im Fokus seines Vortrags stand, wie Kooperationen mit größeren Seilbahnen die Wettbewerbsfähigkeit der Betreiber stärken und Herausforderungen der Kleinseilbahnen gemeistert werden können.

„Ein großer Faktor ist die finanzielle Komponente. Die Seilbahnen müssen revisioniert werden und die Sicherheit gewährleistet sein. Oft bleibt dann abzüglich der Kosten für Personal und Buchhaltung nichts mehr übrig“, so Lymann.

„Samih Sawiris war ein Glückstreffer, er wollte nicht ein, sondern viele Hotels in Andermatt bauen“, so Ständerat Josef Dittli.

„Ich habe ihnen keine Einkaufsliste mitgebracht, aber Kriterien, nach denen Vail Resorts investiert“, so Mike Goar.

Kleinseilbahnen sind touristische Juwelen. Sie schaffen Wertschöpfung und Arbeitsplätze“, stellte Forscher Roland Lymann fest.

Wie viel sind Gäste bereit zu zahlen?

Markus Bischof von der P8 Marketing Agentur stellte anschließend seine aktuellste Studie vor. Abgefragt wurden 901 Skifahrer zu ihrer Skigebiets-Loyalität, Zahlungsbereitschaft vor Ort und wie viele Kilometer Anreise für einen Skitag infrage kommen. Hier zeigte sich anhand der Zahlen eine hohe Bereitschaft, auch längere Strecken für einen Skitag in Kauf zu nehmen.

Vail Resorts Strategie in Europa

Höhepunkt des Freitags war dann das Referat von Mike Goar, Regional COO der US-Skigebietskette Vail Resorts. Er gab Einblick über die Strategie von Vail Resorts in Andermatt und Crans- Montana sowie über seine Interessen, das Epic-Pass-Netzwerk weiter auszubauen.

Quo vadis Skisport?

Im Schlussplenum debattierten Fred Fettner, Wolfgang Eder und David Zumsteg, Mitglied der Geschäftsleitung der Andermatt-Sedrun Sport AG, wie der zukünftige Skisport aussehen wird. Die Teilnehmer des Berg.Bahn.Camps beteiligten sich dabei rege an der Diskussion.

Konsens herrschte über die Meinung, dass Skigebiete sich stärker hybrider und ganzjährig aufstellen müssen, um den Klimawandel zu begegnen. Ganz im Zeichen der Resonanz.

Ob beim Get-Together am Mittwochabend im Radisson Blue Hotel Reussen Andermatt, Tags darauf am Schneehuenerstock oder beim Aperó am Donnerstagabend im Familienrestaurant Matti bei der Seilbahn Gütsch-Express: Die Teilnehmer hatten an allen drei Tagen die Chance, sich eng zu vernetzen.