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Digitalisierung & Innovation, REDGuide 2/2024
Marken brauchen Daten
Marken ziehen Menschen über gleiche Werte an. Für Bergbahnen und alpine Destinationen ist es also wichtig, die eigenen Zielgruppen und deren Bedürfnisse zu kennen.
Lumifai mit Sitz in Frankfurt ist eine von mehreren Anbietern, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) die digitale Kommunikation von Unternehmen, das digitale Auftreten des Mitbewerbs sowie das digitale Verhalten der Gäste analysieren.
„Wir verbinden Zielgruppen-Verhalten mit Kommunikation, woraus sich Strategien ableiten lassen“, erläutert Marius Streb, Co-Founder von Lumifai.
Marius Streb
studierte Betriebswirtschaft an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar, einer Privatuniversität, die für ihren Gründergeist bekannt ist. Folgerichtig machte sich Marius Streb nach seinem Wirken in datengetriebenen Hedgefonds 2020 mit einem Co-Founder selbstständig. Sein Unternehmen Lumifai will das Bauchgefühl bei der Markenbildung durch Datenanalyse messbar machen.
Der Algorithmus scanne dazu grundsätzlich alles – von Social Media Kanälen, über Webseiten und Bewertungsportalen bis hin zum Suchverhalten.
„So erfassen wir quantitativ, wofür sich Gäste interessieren, wie die Bergbahnen diese Themen bespielen und wie im Vergleich die Konkurrenz auftritt“, so Streb.
Ziel sei es, das Bauchgefühl bei der Markenbildung durch Datenanalyse messbar zu machen, Potentiale aufzuzeigen und Vorschläge zu generieren.
„Die KI kann Destinationen mit wenig Profil oder viel Wettbewerb dabei helfen, Lücken für eine differenzierende Kommunikation zu finden, eigene Spitzenleistungen zu bewerben, Sehnsüchte bei den Gästen zu wecken und Allgemeinplätze zu vermeiden“, ist Streb überzeugt.
Die Kommunikationsziele hängen dabei weiterhin von der Strategie der Bergbahnen ab. Deswegen arbeitet Lumifai im alpinen Tourismus mit Mike Partel von Mountain Management Consulting zusammen.
Der Skigebietsberater liefert mit seinen analogen Umfragen „Best Ski Resorts“ und „Best Summer Resorts“ und seiner langjährigen Berufserfahrung die strategische Komponente, Lumifai die Technologie.
Die Analyse der eigenen Attraktivität sowie der Differenzierung zum Mitbewerb deckt sechs wichtige Bereiche ab, um die Online-Kommunikation am Markt hervorzuheben: Markenattribute, Markenbedürfnisse, Online-Bekanntheit, Markenmotive, Markenthemen und Marken-Zielgruppe (siehe Infoboxen).
Markenattribute
- Bewertet die Markenattribute (wie „authentisch“, „entspannt“), die auf den Kanälen des Reiseziels besonders hervorstechen.
- Identifiziert, welche Werte eine starke Differenzierung bieten (die von Wettbewerbern nur selten verwendet werden), welche Werte am stärksten ausgeprägt sind, welche thematischen Schwerpunkte mit diesen Markenwerten verbunden sind und welche Werte in Zukunft stärker betont werden sollten, um die Zielgruppen X/Y/Z (nach Land und Generation) besser anzusprechen.
Markenbedürfnisse
- Bewertet die Tonalität einer Destinationsmarke durch ihre Kommunikation und welche der 12 primären unterbewussten „Wünsche“ (wie “Abenteuer“ oder „Nähe“) sie anspricht.
- Identifiziert die Bedürfnisse, die durch die Kommunikation im Unterbewusstsein der Zielgruppe geweckt werden (z.B. der Wunsch nach Distinktion im Luxus) und welche Tonalität in Zukunft stärker betont werden sollte, um die Zielgruppen X/Y/Z (nach Land und Generation) besser anzusprechen.
Online-Bekanntheit
- Bewertet, welche Ziele durch Suchanfragen, Website-Verkehr oder Online-Follower ein erhebliches Interesse hervorrufen.
- Ermittelt, wie sich das Interesse in den sozialen Medien, die Besucher der Website und die Suchanfragen in Bezug auf das Reiseziel im Laufe des Jahres entwickeln oder welches Reiseziel die größte Konkurrenz innerhalb einer bestimmten Zielgruppe darstellt.
Von der Generik…
Rund 60 Skigebiete haben Lumifai und Mountain Management Consulting in der Wintersaison 2023/2024 untersucht. Fünf wesentliche Erkenntnisse konnten durch die KI-Auswertung gewonnen werden.
Die erste Erkenntnis sei ernüchternd, so Streb: „Fast die Hälfte – 48 Prozent aller analysierten Destinationen versuchen, sich mit einem Allgemeinplatz wie ‚natürlich‘ von der Konkurrenz abzusetzen“.
Viele Destinationen versuchen, alle zu erreichen – ein bisschen Natur, ein bisschen Sport, ein bisschen Event. „Die brutale Wahrheit ist aber: So fühlt sich niemand spezifisch angesprochen“, mahnt Streb.
„Natürlich“ und „Einzigartig“ als Markenattribut allein motivieren noch nicht zur Reise, denn fast die Hälfte respektive ein Drittel aller analysierten Destinationen verschreiben sich diesen Werten.
Markenmotive
- Bewertet, wie konsistent das Farbschema und die Motive auf den Kanälen der Destinationen sind.
- Es wird ermittelt, welche Themen am häufigsten verwendet werden (zeigt der Wettbewerb eher sportliche Skifahrer oder Familien, Restaurants oder Alpenpanoramen?) und welche Themen in Zukunft stärker betont werden sollten, um die Zielgruppen X/Y/Z (nach Land und Generation) besser anzusprechen
Markenthemen
- Bewertet, welche Themen (wie „Sport“ oder „Nachhaltigkeit“) auf den Kanälen des Reiseziels hervorstechen.
- Identifiziert, welche Themen eine starke Differenzierung bieten (die von Wettbewerbern selten genutzt werden), welche Werte am stärksten ausgeprägt sind, welcher thematische Fokus mit diesen Markenwerten übereinstimmt und welche Werte in Zukunft stärker betont werden sollten, um die Zielgruppen X/Y/Z (nach Land und Generation) besser anzusprechen
Marken-Zielgruppe
- Bewertet die Zielgruppe, die online mit den verschiedenen Reisezielen interagiert, z. B. durch Bewertungen oder Website-Besuche.
- Identifiziert die wahrscheinliche Demographie (Alter, Geschlecht, Herkunft) der Interessenten an den sozialen Medien und der Website im Vergleich zu ausgewählten Benchmarks und Wettbewerbern sowie die Kriterien, nach denen sich die Zielgruppe(n) am ehesten für ein Reiseziel entscheiden würden (z.B. Nachhaltigkeit).
…zur Spezifik
„Selbst wenn intern andere Attribute definiert sind, so konnte unsere KI diese nur selten in der Kommunikation auffinden. Nur ausgewählte Destinationen schaffen es konsistent, auf den eigenen Spitzenleistungen aufzubauen“, schildert Streb.
Er empfiehlt Destinationen, Allgemeinplätze durch für ihre Destination spezifische, abgrenzungsstarke Werte zu ersetzen – und diese auch in der Kommunikation zu beherzigen.
Die richtigen Begriffe zeichnen ein lebendiges Bild in den Köpfen der Fans: „entfesselt“ (Arosa-Lenzerheide) und „sonnendurchflutet“ (Zermatt) statt „natürlich“. Oder „energiegeladen“ (Ischgl) statt „aktiv“. Die Marke sticht noch klarer heraus, wenn sich die Kommunikation fokussiert auf einen wettbewerbsdifferenzierenden Ein-Wort-Wert, etwa „lässig“ (Saalbach) oder „pulsierend“ (Sölden).
Menschen wollen Emotionen:
In der Bedürfnis-Analyse sprechen 66,4 Prozent aller Social-Media-Posts ein Gefühl von Abenteuer.
Von Destination zu Emotion
Emotion gehört zu den Haupttriebfedern, wenn Menschen Entscheidungen fällen – so lautet die zweite Erkenntnis der KI-Analyse. „So werden etwa Stylishness und Marke als Form der Selbstidentifikation für junge Reisende immer wichtiger“, berichtet Streb.
Insofern sei es nicht nur wichtig, relevante Themen und Produkte zu bewerben, sondern sich auch über die emotionale (Identifikations-)Kraft der Inhalte in sozialen Medien „zwischen den Zeilen“ bewusst zu sein.
„Schneesicher, vielfältig, schnell erreichbar: Das alles sind Aspekte von rationalen Entscheidungen und Vernunft. Machen Sie indes Ihre Zielgruppe zum Helden und ermöglichen Sie echte Identifikation“, empfiehlt der Datenexperte den Bergbahnern.
In der Bedürfnis-Analyse sprechen jedenfalls 66,4 Prozent aller Social-Media-Posts ein Gefühl von Abenteuer, ganze 52,7 Prozent ein Bedürfnis nach Praktikabilität („Rationalität“) an.
Nur 44,4 Prozent schaffen es, ein Gefühl von Identifikation, nur 46,4 Prozent aller Posts ein Gefühl von Nähe aufzubauen. Dies ist aber der Schlüssel zu hoher Markenloyalität.
„Als Beispiel kann hier Kitzbühel herangezogen werden: Mit 70 Prozent schafft man es, ein deutlich stärkeres Gefühl von Identifikation zu „triggern“, als der Branchen-Durchschnitt“, betont Streb.
Gäste suchen vor allem nach Naturkulissen:
83,2 Prozent aller Social-Media-Posts zeigen Natur- oder Bergmotive.
Von Standard zu Kontrast
Eins ist klar: Reisende in den Bergen suchen vor allem nach atemberaubender Naturkulisse und einer Pause von ihrem Alltag, vor allem ältere Zielgruppen. Nicht ohne Grund zeigen im Branchen-Durchschnitt 83,2 Prozent aller Social-Media-Posts Natur- bzw. Bergmotive.
„Nur wenige Destinationen bieten jedoch eine so unverwechselbare und markante Naturkulisse (z.B. Zermatt), als dass sie sich allein dadurch vom Wettbewerb abgrenzen können. Die Kommunikation mit Bildern muss sofort wiedererkennbar und vor allem emotional relevanter werden“, fordert Streb.
Bildkonsistenz sei ein oft unterschätztes Mittel der Markenstrategie – was in Zeiten von Überfluss und sinkender Aufmerksamkeit allerdings notwendig sei.
„Bringen Sie den Mut auf, sich neu, aber selbstähnlich zu inszenieren. Beachten Sie die aufgezeigten Generationentrends. Bringen Sie Popkultur in Ihre Bilder, ohne die Glaubwürdigkeitsgrenzen ihrer Destination zu verlassen“, richtet sich der Datenanalyst direkt an die Bergbahner:
Ein Ziel, das für Entschleunigung steht, sollte nicht das neue Ischgl werden wollen. Nur so könnten Bergbahnen ihre Einzigartigkeit zum Ausdruck bringen. St. Moritz mache es dabei z.B. mit einem geschickten und einheitlichen Color-Grading über alle Posts hinweg.
Unterschiedliche Generationen haben unterschiedliche Bedürfnisse:
Die Generation X bevorzugt wiederum Authentizität, während die Baby Boomer Natur und Entspannung suchen.
Von beliebig zu konsistent
Differenzierung zu erreichen, ist eine Herausforderung – vor allem, wenn der Markenkern auf Natur ausgelegt ist. Klar: Destinationen mit einer spitzen Positionierung wie Familie (z.B. Serfaus-Fiss-Ladis), Events & Party (z.B. Ischgl) oder Exklusivität (z.B. St. Moritz), haben es leicht, aus dem Wettbewerb hervorzustechen.
Doch wie schaffen es naturbezogene Destinationen, sich im Wettbewerb abzugrenzen? Die Antwort lautet – und damit Erkenntnis Nummer 4 – Konsistenz.
„Destinationen müssen nicht nur den Mut aufbringen, in ihrer Kommunikation Ecken und Kanten zu zeigen, sondern sich ihrer Einzigartigkeit bewusst werden und diesen klaren Fokus auf Motive, Werte und Tonalitäten konsistent über alle Marken-Touch-points – und damit de facto jeden Social-Media-Post – übertragen,“ erläutert Streb.
Wenn kommunizierte Inhalte immer wieder eine gleiche Strategie in Bild und Inhalt widerspiegeln, verfestige sich dieses Bild in den Köpfen der Zielgruppe – Differenzierung durch Konsistenz, sozusagen.
Ein positives Beispiel sei dabei Val Gardena, deren Markenattribute und Motive eine hohe Konsistenz aufweisen. Auch Madonna di Campiglio zeige einen klaren thematischen Fokus im Zeitverlauf.
Checkliste
Allgemeinplätze durch spezifische, abgrenzungsstarke Werte ersetzen – und diese auch in der Kommunikation zu beherzigen
Zielgruppe zu Helden machen und echte Identifikation ermöglichen
Kommunikation mit Bildern sofort wiedererkennbar und emotional relevant gestalten
Sich durch konsistente Bilder und Inhalte differenzieren
Markenkern und Generationen
Destinationsmarken, die eine klare Positionierung, mutige Werte und differenzierende Bildsprache wählen, präsentieren sich laut Analyse also als authentisch und attraktiv für Reisende.
Doch was, wenn unterschiedliche Generationen oder Nationen auch unterschiedliche Kommunikationspräferenzen und spezifische Sehnsüchte aufweisen? „Unsere 4-Felder-Matrix aus Attraktivität und Differenzierung in den Individualauswertungen gibt Aufschluss darüber“, so Streb.
Demnach können die Informationen, welche Motive und Attribute für eine jeweilige Zielgruppe attraktiver sind, genutzt werden um unterschiedliche Fokuspunkte zu setzen – z.B. in Kanälen (Action, Events & Identifikation auf TikTok für eine jüngere Zielgruppe, Natur und Authentizität auf Facebook für eine ältere Zielgruppe) oder Werbeanzeigen (z.B. unterschiedliche Nationalitätspräferenzen).
So sucht die Gen Z vor allem einen humorvollen und trendbewussten Ansatz, Millennials dagegen eher emotionale Tiefe. Beide eint jedoch das Bedürfnis nach Identifikation (welches nur sehr selten adressiert wird, siehe Erkenntnis 2). Die Gen X bevorzugt wiederum Authentizität, Baby Boomer suchen Natur und Entspannung.
Kontakt:
Marius Streb
Lumifai GmbH
Käthe-Kollwitz-Ring 7
DE 63486 Bruchköbel
T: +49 69 272 426 – 56
E: marius@lumifai.com
W: lumifai.com