Skimarkt China: Fakten & Vorurteile

China wird den globalen Wintersportmarkt grundlegend verändern. Einerseits tätigt die Regierung Investitionen von oben, andererseits drängt der Konsument von unten in die Skigebiete!

SnowHow China versteht sich als Marketing-Brücke zwischen dem alpinen und chinesischen Wintersportmarkt. Die Tiroler Agentur bringt seit vier Jahren
Zulieferindustrie, Skigebiete, Skischulen und Skifahrer zusammen. Nun hat sie eine Studie über den Skimarkt in China veröffentlicht. SI sprach mit CEO Hermann Winkler über bestätigte Fakten und entkräftete Vorurteile rund um Ski fahren im Reich der Mitte.

SI: Herr Winkler, Sie bezeichnen Ihre Studie als Pionierarbeit – warum?

Winkler: Bisher gibt es zum chinesischen Wintersportmarkt nur wenige, B2B- und techniklastige Untersuchungen, etwa den Internationalen Snow Report von Laurent Vanat oder das White Book von Wu Bin. Zusammen mit meinen Kolleginnen Bernadette Lacher und Annie Zhang habe ich nun erstmals eine Studie aus der Makroperspektive durchgeführt, die auch die Regierung und den Konsumenten berücksichtigt. Dazu haben wir 50 alpine und chinesische Experten aus Tourismus, Wintersport und Zulieferindustrie zu zehn populären Klischees des chinesischen Skimarkts befragt.

Mit welcher Erkenntnis?

Nur wenige Vorurteile stimmen, die meisten konnten wir klar widerlegen. Manchmal findet sich die Wahrheit in der Mitte. Grundsätzlich können wir sagen, dass China den globalen Wintersportmarkt grundlegend verändern wird. Einerseits tätigt die Regierung Investitionen von oben, andererseits drängt der Konsument von unten in die Skigebiete.

Aber ist das nicht Wunschdenken?

Von den propagierten 300 Millionen chinesischen Skifahrern bis 2022 sind wir weit entfernt. Diese Zahl basiert auf einer Fehlinterpretation. Die Regierung will, dass 300 Millionen Chinesen irgendeinen Wintersport ausüben – nicht zwingend Skifahren. Wir schätzen die Zahl der Skifahrer bis 2022 auf ca. 40 Millionen. Die machen aber bereits einen beachtlichen Teil aller Skifahrer weltweit aus. In China sind das dagegen nur drei Prozent der Bevölkerung. Das Potential ist riesig und wird nach den olympischen Winterspielen 2022 noch weiter wachsen.

Inwiefern?

Die massiven, langfristigen Investitionen der Regierung treffen auf einen neuen Lebenstil und Konsumtrend der chinesischen Ober- und Mittelschicht – insbesondere der jungen, urbanen Generation. Materielles wird weniger wichtig, Erlebnis und Gesundheit sind die neuen Statussymbole.
Natur statt Stadt, Individualität statt Masse: Das sind die neuen Urlaubsmotive. Und genau das kann der Skisport bieten – wenn die Customer Journey gut gestaltet ist.

Die Customer Journey in China hängt wesentlich von wohnortnahen Skischulen ab. Foto: Snow51

Was meinen Sie damit?

Der erste Kontakt mit dem Skisport muss einfach, günstig, frustfrei und wohnortnah in den Städten erfolgen statt in weit entfernten Skigebieten am Land. Viele
Chinesen haben ein schlechtes Erster-lebnis beim Skifahren, etwa durch lange, teure Anreise, schlechte Skilehrer und fehlendes eigenes Können. Deswegen
betreiben wir mit unserem Partnerunternehmen  Snow51 in Shanghai Indoor-Skianlagen ohne Schnee, wo Chinesen den Sport erlernen können.

Quasi wie ein Fitness Gym oder eine Driving Range beim Golfen. Sind die Skischüler gut genug, wechseln sie in chinesische Skigebiete und in weiterer Folge zu Destinationen in den Alpen.

Die Alpenländer profitieren also von der Entwicklung in China?

Ja – und das sogar auf zweierlei Weise. Einerseits gewinnen alpine Skigebiete durch chinesische Familien eine kaufkräftige und elitäre Kundengruppe, die
durch Marketing- und Social Media- Kampagnen gewonnen werden. Denn wir müssen den Chinesen erst erklären, dass die Alpen die Wiege des Skisports sind – und nicht etwa Japan oder Neuseeland.

Ein Beispiel dafür ist unsere Influencer- Challenge in den Top-Destinationen, wie beispielsweise Sölden, Kitzbühel, Arlberg, Zugspitze, Innsbruck und die Jungfrau Region. Andererseits birgt China enormes Potential für die Zulieferindustrie. Noch hinkt die Infrastruktur in den Skigebieten dem alpinen Standard hinterher.

Europäische Hersteller, die bereits seit längerem im chinesischen Markt aktiv sind, ernten jetzt die Früchte ihrer Arbeit. Auch wenn es mühsamer und langsamer geht, als viele sich gewünscht haben.

Welche Bedeutung haben hierfür die Olympischen Winterspiele in Peking 2022?

Nach dem Event wird jeder Chinese das Thema Wintersport verstehen, der Skitourismus beginnt dann erst so richtig. Es ist ein Irrglaube, Chinas vorrangiges
Ziel seien viele Medaillen und kurzfristiger Ruhm auf der Weltbühne, wie das bei den Sommerspielen zum Teil der Fall war.

Die Regierung verfolgt langfristige Ziele weit über die Winterspiele hinaus. Sie will die Volksgesundheit steigern und damit das Gesundheitssystem entlasten. Zudem soll mit massiven Investitionen in Skigebieten der Landflucht entgegengewirkt werden.

Wobei auch die Digitalisierungeine Rolle spielt?

Die Olympischen Winterspiele 2022 werden tatsächlich die ersten Internetspiele werden – nicht nur ein TV-Event. Branchengrößen, wie Alibaba oder Tencent
Sports, wollen und werden ihre digitale Kompetenz zur Schau stellen.

Damit einher geht ein tiefgreifender Einfluss auf die Wintersportindustrie generell, insbesondere, da die chinesische Mittelschicht als sehr technikaffin gilt. Und je häufiger diese in Europa Skifährt, desto stärker wird auch in den Alpen die On- und Offline- Welt miteinander verschmelzen!