Management & Tourismus, SI-Alpin
Seilbahn-Tagung im Zeichen von Corona
Der Lockdown und die seither fehlenden Gäste aus Übersee haben drastische Auswirkungen auf den Tourismus. Trotzdem blickt die Seilbahnbranche vorsichtig optimistisch auf die kommende Wintersaison.
Im Rahmen der Fachtagung fand auch die ordentliche Generalversammlung des Branchenverbands Seilbahnen Schweiz (SBS) statt. Die Delegierten wählten Antoine Micheloud (Moléson/FR) und Mauro Pini (Airolo/TI) neu in den Vorstand. Sie ersetzen die zurückgetretenen Jean-Marc Udriot (Leysin/VD) und Renzo Pesciallo (Bellinzona/TI). Für eine weitere Amtsdauer im Vorstand bestätigt wurden Vizepräsident Philipp Holenstein (Arosa/GR), Sepp Odermatt (Oberdorf/NW) und Roger Walser (Walenstadt/SG).
Lockdown führte zu massivem Gästeeinbruch
Dominierendes Thema der Tagung war die Corona-Krise. SBS-Präsident Hans Wicki sprach in seiner Rede die Auswirkungen des Lockdowns an: «Ohne den vom Bundesrat verordneten Saisonabbruch von Mitte März hätten die Schweizer Seilbahnen eine sehr erfreuliche Wintersaison erzielt, denn Ende Februar lagen die Gästezahlen um mehr als zehn Prozent über dem Fünfjahres-Durchschnitt.»
Wegen des vorzeitigen Saisonendes sind die Gästezahlen jedoch auf 20,2 Millionen Ersteintritten verharrt – dies ist das tiefste Gästevolumen der letzten fünfzehn Wintersaisons. Als Folge des Lockdowns sind der Branche allein bis Ende April mehr als 300 Millionen Franken Transport- und Nebenbetriebserträge entgangen, wie eine Hochrechnung von SBS ergeben hat. Umso wichtiger seien die vom Bundesrat rasch beschlossenen abfedernden Massnahmen gewesen, insbesondere die Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung, sagte der SBS-Präsident.
Den Bahnbetrieb durften die Seilbahnen erst am 6. Juni wieder aufnehmen, dies mit entsprechenden Schutzmassnahmen. SBS habe bei der Erarbeitung der Mustergrundlagen für die einzelbetrieblichen Schutzkonzepte eine wichtige Rolle gespielt, so Hans Wicki. Für die Seilbahnen gelten die gleichen Schutzmassnahmen wie für den öffentlichen Verkehr:
Neben den allgemeinen Hygienemassnahmen gilt aktuell ein Mund-Nasen-Schutz-Obligatorium in geschlossenen Fahrzeugen. Keine Tragpflicht besteht für Sesselbahnen und Skilifte. «Die Massnahmen sind von den Gästen breit akzeptiert worden, wie wir diesen Sommer festgestellt haben», sagte Hans Wicki an der Fachtagung.
Neuer Direktor Berno Stoffel im Amt
Seinen ersten Auftritt an der Generalversammlung hatte der neue SBS-Direktor Berno Stoffel. Der Walliser hat seine Stelle Anfang Oktober angetreten. Er folgt auf Sepp Odermatt, der die Geschäftsstelle seit April 2019 interimistisch geleitet hat. Der neue Direktor wird gleich stark gefordert sein. Nicht nur wegen der Coronakrise, sondern auch, weil SBS seine Geschäftsstelle auf Anfang 2021 an einen neuen Standort in Bern verlegen wird. Bislang hatte SBS in diversen Bereichen operativ eng mit dem Verband öffentlicher Verkehr zusammengearbeitet. Ab dem kommenden Jahr führt SBS sämtliche Geschäfte nun eigenständig weiter.
Sommer: zweigeteiltes Bild
Auch die noch nicht abgeschlossene Sommersaison ist für die Schweizer Seilbahnbranche schwierig: Per Ende August lag das Gästeaufkommen um 33,5 Prozent hinter 2019 zurück. Gemäss dem SBS-Präsidenten entwickelte sich die laufende Saison je nach Unternehmen ganz unterschiedlich: Bahnen, die stark auf die Fernmärkte ausgerichtet sind, verzeichneten dramatische Rückgänge.
Denn deren Geschäft ist wegen Corona regelrecht eingebrochen. Dass heuer mehr Schweizer Gäste die berühmten Aussichtsgipfel besuchen, kompensiert den Ausfall aus dem Ausland bei weitem nicht. Etwas besser unterwegs waren Bahnunternehmen, die seit je her stark auf den Schweizer Markt ausgerichtet sind. Sie haben zum Teil sogar Spitzenauslastungen gemeldet, weil viele in der Schweiz wohnende Menschen ihre Ferien wegen Corona im Inland verbracht haben.
Kommende Wintersaison: Skigebiete sind vorbereitet
Wirtschaftlich matchentscheidend für die Seilbahnbranche in der Schweiz ist aber die Wintersaison. Schweizweit gesehen erwirtschaften die Seilbahnen rund 75 Prozent ihres Jahresumsatzes im Winter. In diversen Destinationen sind es sogar über 90 Prozent. Hans Wicki zeigte sich an der Generalversammlung vorsichtig optimistisch:
«Aus heutiger Sicht wird die Wintersaison stattfinden. Wir müssen mit dem Virus leben lernen – und wir schaffen das!» Einerseits habe sich das Schutzregime mit dem Mund-Nasen-Schutz und den Hygienemassnahmen bewährt. Andererseits seien die Bergbahngäste im Winter mit Handschuhen, Brille und Helm ohnehin besser geschützt als im Sommer.
Zudem gebe es auf dem Markt mittlerweile mit den Halsschläuchen eine bequeme wintertaugliche Mund-Nasen-Schutz-Variante. Seilbahnen Schweiz vertreibe aber keine Mund-Nasen-Schutz-Produkte; für den Gesichtsschutz seien die Gäste selbst verantwortlich, betonte Wicki. Und weiter: «Dem Schneesporterlebnis im kommenden Winter steht nichts im Wege.»
Seinen Mitgliedern stellt SBS eine winterspezifisch ergänzte Mustergrundlage für das einzelbetriebliche Schutzkonzept zur Verfügung. Dieses orientiert sich stark an den Schutzmassnahmen des öffentlichen Verkehrs. «Eine Beschränkung der Beförderungskapazität der Seilbahnen ist deshalb kein Thema, zumal es auch im öV keine Platzlimitierung gibt», so Wicki.
Dies habe man dem Bundesrat am Tourismusgipfel Ende August klar dargelegt. Dass die Tourismusorte aber im eigenen Interesse unkontrollierbare Menschenansammlungen vermeiden sollen, sei allen klar. «Wir leben aktuell sicher nicht in Zeiten für ausschweifendes Après-Ski», sagte der SBS-Präsident an der Generalversammlung.