Ausgabe, SI 3/2018, SI-Alpin
Rabattschlacht im Schnee
Rabattschlacht im Schnee
Sinkende Besucherzahlen und hohe Investitionen in neue, moderne Technik zwingen die Schweizer Skigebiete, kreativ zu werden. Tiefstpreise oder Kooperationen sind die Folge.
Vor einem Jahr stellte das Skigebiet Saas-Fee eine revolutionäre Idee vor: die Saisonkarte zum Preis von 222 Franken – statt 1.050 Franken. Auch andere Skigebiete sind nachgezogen. Selbst kleinere Skigebiete machen bei der Rabattschlacht mit. Sinkende Besucherzahlen und hohe Investitionen in neue, moderne Technik zwingen die Schweizer Skigebiete, kreativ zu werden. Tiefstpreise oder Kooperationen sind die Folge. Laut Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern, zeigen die Aktionen, dass die Skigebiete auf die Herausforderungen der vergangenen Jahre reagieren. Der erstarkte Franken schmerzte die Branche vielerorts. Gerade ausländische Gäste aus den Euroländern fehlten vermehrt.
Zudem hat der Skisport bei der jüngeren Generation, die gerne mit einem Billigflieger ans Meer oder in eine Weltstadt reist, an Beliebtheit verloren. Die Zahlen bestätigen: Der Markt schrumpft. in der Saison 2015/16 verzeichnete die Schweiz 21,6 Millionen Skier- Days (Anzahl Personen, die eine Seilbahn an einem Tag mindestens einmal benutzen). Zehn Jahre zuvor lag der Wert noch bei 28,3 Millionen – in der Wintersaison 2010/11 bei 25,9 Millionen.
Kooperationen & Crowdfunding
Tiefstpreise erreichen viele Skigebiete durch Kooperationen. Mit dem Magic Pass offerieren 25 Skigebiete in der Westschweiz eine gemeinsame Saisonkarte zum aktuellen Preis von 459 Franken. Auch im Berner Oberland reagiert man. Top4-Skipass heißt die gemeinsame Saisonkarte von Adelboden-Lenk, Meiringen- Hasliberg, Gstaad und der Jungfrau- Region. Preis: 666 Franken. Viele Dumpingpreise – wie die anfangs erwähnte Saisonkarte in Saas-Fee für 222 Franken, sind zudem nur durch Crowdnfundig im Internet realisierbar. Das entsprechende Angebot wurde beispielsweise nur umgesetzt, weil sich innerhalb von fünf Wochen 99.999 Personen dafür angemeldet haben. im kleinen Skigebiet Blatten- Belalp lag die Hürde für die Familienkarte bei 999 Bestellungen.
Dynamic Pricing
Manche Skigebiete setzen zudem auf die dynamische Preisfestsetzung. Wer online eine Tages- oder Mehrtageskarte für das Skigebiet kauft, bezahlt einen Preis, der je nach Faktoren wie Wetter, Saisonzeitpunkt und Buchungszeit definiert wird. Solche Angebote ermöglichen es den Bahnen, Tage mit erwarteter schwächerer Nachfrage preislich zu fördern und so die Auslastung zu erhöhen. Zum Wachstum beitragen sollen zudem neue Angebote für Touristen, so z.B. das Produkt „upgrade Your Ski Day“. Besitzer von einer Tages- oder Mehrtageskarte können bereits am Vortag ab 15 uhr auf die Piste.
So lassen sich nach Ankunft im Skigebiet noch am selben Tag ein paar Schwünge ziehen. Das Angebot „Skifahren in drei Tagen“ soll Gäste innerhalb dieser Zeit auf die blaue Piste bringen. Weitergeführt wird auch die „First Ski Experience“. Das Programm führt Gäste innerhalb eines halben Tages erstmals auf die Ski, was vor allem Gäste aus China schätzen.
Starke Kritik
Welchen Einfluss die neuen Angebote wie die tiefpreisigen Crowdfunding-Saisonabonnements oder die tagesvariable Preisgestaltung auf den Saisonverlauf haben, lässt sich laut dem Schweizer Seilbahnverband SBS noch nicht beurteilen. Erste Einschätzungen sind frühestens Ende der Saison möglich. und für fundiertere Aussagen dürften sogar mehrere Saisonen nötig sein. Bereits jetzt kämpft die Rabattschlacht mit vielen Gegnern in Skigebieten und Verbänden. So kritisieren die Bergbahnen Graubünden, dass das Marktpotential durch die neuen Preisstrategien nicht größer werde, sondern nur den bestehenden Verdrängungskampf noch weiter anheizt. „Dynamic Pricing bedeutet den Preis nicht nur nach unten anzupassen, sondern bei entsprechender Nachfrage auch nach oben“, fordert Martin Hug, Präsident der Bergbahnen Graubünden.
Viele Kritiker bemängeln zudem, dass die Investitionen und die Preise nicht mehr im Gleichgewicht stehen. Viele Seilbahnunternehmen haben in den vergangenen Monaten wieder in Bahntechnik, Beschneiungsanlagen und Gastrobetriebe investiert. in den vergangenen Jahren waren es laut SBS jeweils ungefähr zwischen 300 und 500 Millionen Franken. Auch dieses Jahr dürften sich die Aufwendungen in dieser Größenordnung bewegen, so die Schätzung von Seilbahnen Schweiz (SBS). Die Investitionen in Komfort, Pistenangebot und Schneesicherheit werden aber – wenn überhaupt – nur sehr moderat auf die Skipasspreise überwälzt.
Gemäß der Erhebung von SBS bei rund fünfzig großen, mittleren und kleinen Skigebieten stieg das Preisniveau für die Ein- und Sechs-Tagespässe in diesem Winter im Durchschnitt um 1,1 Prozent. Erfreulich für die Schneesportfans: Jede zweite Bahnunternehmung ändert die Preise nicht, und gut zehn Prozent der untersuchten Bahnen senken sie sogar.
Fazit
Die Tourismusfachwelt beobachtet jedenfalls gespannt, wie der Markt auf die neuen tiefpreisigen Saisonangebote reagiert. im Zentrum steht die Frage, ob das Ziel der Anbieter erreicht wird, mittels tiefer Saisonabopreise unter dem Strich nachhaltig mehr Einnahmen zu generieren. Zum Beispiel, weil Stammgäste, die bisher vielleicht jährlich eine Woche Skiferien im Ort verbracht haben, dank dem Saisonabo nun an zusätzlichen Tagen auf die Piste gehen und so dem Wintersportgebiet mehr Einnahmen bescheren als vorher.
Hug überzeugen diese Argumente nicht: „Die Herausforderung der Zukunft ist es, das Marktpotential im gesamten Alpenraum zu vergrößern und nicht als einzelnes unternehmen auf Kosten der Mitbewerber zu wachsen“. Es brauche mehr neue Gäste aus neuen Märkten. Durch mehr Kooperationen wie z.B. Dienstleistungszentren für Bergbahnen oder Einkauf von Gebrauchsgütern könnten Synergien genutzt und durch gebündeltes Know How auch die Ertragskraft gesteigert werden. ts