SI Report: CORONA – HOFFNUNG AM SEIL? SCHÄDEN, HILFEN, PERSPEKTIVEN!

Die Coronapandemie hat auch die Seilbahnbranche schwer getroffen. Wir haben uns bei den Verbänden in den deutschsprachigen Alpenländern umgehört, wie hoch sie die Schäden für Skigebiete einschätzen, welche staatlichen Hilfen es gibt und inwiefern die Politik weiter unterstützen muss.

Südtirol: Wichtige Wochen fehlen

Für die Seilbahnunternehmen in Südtirol ist die Situation im Moment nicht ganz einfach, so Verbandspräsident Helmut Sartori. Durch die frühzeitige Schließung aller Skigebiete mit 10. März 2020 wurde die Skisaison um einige Wochen verkürzt, was Folgen mit sich brachte. „Bei Saisonkräften mussten unsere Betriebe vielfach das Saisonsende der Arbeitsverträge abändern.

Festangestellte Mitarbeiter bauten Überstunden, sowie angereifte Urlaubstage ab und wurden zum Teil in den Lohnausgleich überstellt, welcher aufgrund von Covid-19 für einen Zeitraum von neun Wochen möglich ist“, sagt Sartori. Zudem fehlen den Südtiroler Gesellschaften einige wichtige Saisonwochen, was sich auch in den Bilanzergebnissen und den Cashflow niederschlagen wird.

50 Millionen Euro weniger Umsatz

Dazu einige Eckdaten: Im Vergleich zum Vorjahreswinter fehlen zwischen 45 und 50 Millionen Euro Umsatz  (zzgl. fehlender Gastronomie- oder Skiverleihumsätze, welche direkt von den Liftunternehmen geführt werden).  Das ist ein Minus von 12 Prozent bei den Erstzutritten und ein Minus von 11 Prozent bei den Durchfahrten.

„Der Sommersaison 2020 blicken wir derzeit besorgt entgegen, es fehlt an Buchungen in den Beherbergungsbetrieben und es ist bisher noch absolut unklar, wann Liftanlagen und Beherbergungsbetriebe überhaupt in die Sommersaison starten können“, so Sartori weiter. Die konkreten Auswirkungen sind wohl erst im Herbst bzw. am Jahresende einschätzbar.

„Nichtsdestotrotz gilt es für uns, nach vorne zu schauen: Italien und auch die Autonome Provinz Bozen haben erste Maßnahmenpakete zur Liquiditätsbeschaffung und zur Ankurbelung der Wirtschaft nach der „Corona-Krise“ beschlossen. Diese werden vom Tourismus und dessen Stakeholdern auch dringend benötigt“, ist der Verbandspräsident überzeugt.

Investitionen verschoben

Einige Südtiroler Gesellschaften planen größere, für 2020 geplante, Investitionen um ein Jahr nach hinten zu verlegen. Diese betreffen in erster Linie den Neubau von Liftanlagen, als auch den Bau von Speicherbecken oder Beschneiungsanlagen. „Als Seilbahnverband Südtirol versuchen wir, gemeinsam mit den politischen Vertretern unseres Landes, Anreize zu schaffen, damit Investitionen auch in diesen schwierigen Zeiten durchgeführt werden können und somit zu einer rascheren Erholung der Wirtschaft beigetragen werden kann“, schließt Sartori.

Schweiz: 330 Millionen Franken weniger

Der Schweizer Seilbahnverband SBS hat – gestützt auf eine Mitgliederumfrage und anhand der aktuellsten Finanzkennzahlen der Unternehmen – die Einnahmenausfälle der Branche errechnet: Der Ertragsausfall bis Ende Mai wird auf insgesamt 330 Millionen Franken geschätzt. Davon entfallen 190 Millionen Franken auf den Personentransport und 140 Millionen Franken auf Nebenerträge aus Gastronomie, Beherbergung, Vermietung etc.

20 Prozent weniger Skier Days

Von den Bündner Bergbahnen wurde in den Medien berichtet, dass in einem normalen Winter ab Mitte März bis Ende Saison noch rund 20 Prozent der Skierdays erzielt werden – diese Skierdays fehlen nun dieses Jahr wegen des vorzeitigen Saisonabbruchs. Diese Zahl dürfte wohl plus/minus auch für die anderen inneralpinen Skigebiete gelten  (Wallis, Berner Oberland und Teile der Zentralschweiz)  „Angesichts des erfreulichen Saisonverlaufs bis zum Lockdown und in Anbetracht des seit dem Stillstand quasi ununterbrochen schönen Wetters, kann man davon ausgehen, dass die Schweizer Skigebiete zum dritten Mal in Folge hätten zulegen können“, so Verbandsprecher Andreas Keller.

Antizyklische Investitionen

In der Schweiz haben die Bergbahnen laut Branchenverbahnd in den vergangenen Jahren immer zwischen 250 und 500 Millionen Franken investiert. „Wenn man dies in Relation zu den entgangenen Einnahmen setzt  (mehr als 300 Mio Franken),  lässt sich schnell sehen, dass dies auch einen negativen Impact auf die Investitionsbereitschaft haben wird“, sagt Keller.

So verschieben Bahnen geplante Projekte  (z.B. Schilthorn).  Ganz vereinzelt gibt’s aber auch  (finanzkräftige)  Unternehmen, die jetzt antizyklisch investieren  (z.B. Zermatt Bergbahnen). Aber das Gros der Unternehmen dürfte nun klar zurückhaltend sein.

Langfristige Entlastungen?

Die bereits vom Schweizer Bundesrat vorgeschlagenen wirtschaftlichen Abfederungsmaßnahmen, wie Erleichterung der Anträge für die Kurzarbeit, vom Bund verbürgte Bankkredite und COVID-Überbrückungskredite, haben den ersten Schock der Seilbahnunternehmungen zwar ein wenig gedämpft. „Da die Bergbahnbranche sehr kapitalintensiv ist und deshalb hohe Fixkosten zu tragen hat, greifen die vom Bund beschlossenen Abfederungsmaßnahmen nur bedingt“, betont der Verbandsprecher.

In Anbetracht der hohen Ertragssummen, die den Seilbahnunternehmungen verloren gegangen sind, benötige die Schweizer Seilbahnbranche deshalb nicht nur Finanzinstrumente, die kurzfristig über Liquiditätsengpässe hinweghelfen, sondern auch finanzielle Entlastungen, die ihr Fortbestehen sichern helfen, bis die mittel- und langfristigen Folgen der Coronakrise überwunden sind.

„Eine finanziell nachhaltige Unterstützung wären beispielsweise Steuerentlastungen, gewährt
über mehrere Jahre hinweg. Der Ball liegt diesbezüglich bei der Politik – Seilbahnen Schweiz hat gemeinsam mit den anderen Tourismusverbänden entsprechende Eingaben deponiert“, berichtet Keller.

Österreich: Warten auf Normalbetrieb

In Österreich entspricht allein das vorzeitige Wintersaisonende nach Berechnungen des Fachverbandes der Wirtschaftskammer einen Wegfall von 8,1 Millionen Ersteintritten und einen Umsatzverlust von 250 Millionen Euro bei den Bergbahnen. Für die betroffenen Regionen bedeutet dies ein Minus von 7,4 Millionen Nächtigungen und 1,84 Milliarden Euro an Umsatzeinbußen.

„Die weitere Entwicklung wird sehr stark davon abhängen, wie schnell die Seilbahnbetriebe wieder in den Normalbetrieb schalten können“, sagt Obmann Franz Hörl. Eine Prognose wäre noch etwas verfrüht, da die Seilbahnen auch wesentlich von politischen Entscheidungen für den Tourismus – siehe Grenzöffnungen und Reisefreiheit – abhängen.

Spielregeln gefordert

„Was uns am meisten hilft, ist ein klarer Plan für das Hochfahren von Tourismus, also vor allem Seilbahnen, Hotellerie und Gastronomie“, so Hörl. Für die Gastronomie sei soweit alles auf Schiene, bei Hotels und Seilbahnen braucht es noch konkrete und vor allem praxisnahe Spielregeln. „Das sind an erster Stelle eine Rechtssicherheit für das Hochfahren des Betriebs von Seilbahnen am 29. Mai, sowie die Gleichbehandlung der Verkehrsträger bei den Abstandsregeln!“, betont der Obmann der Seilbahner.

Die Verlängerung der Corona-Kurzarbeit und der Zuschüsse von Personalkosten wo die Kurzarbeit nicht greifen kann seien ebenfalls notwendig. „Fakt ist: Je schneller wir an Fahrt aufnehmen, desto rascher wird sich auch unsere Branche erholen und kann sich dann optimal für die – hoffentlich wieder unter normalen Bedingungen startende – kommende Wintersaison vorbereiten“, ist Hörl überzeugt.

Deutschland: Bauvorhaben vorgezogen

Der deutsche Seilbahnverband VDS meldet einen Umsatzrückgang von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Einige Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet, Insolvenzen, Entlassungen und gerichtliche Klagen sind dem VDS aber nicht bekannt. „Der Bau der Nebelhornbahn wird um fast sechs Monate vorgezogen, um die Zeit der Betriebssperre auszunutzen“, schildert Verbandsprecherin Thu-Hà Prügelhof beispielhaft die Vorgehensweisen deutscher Skigebiete.

Vom Staat erhalten die Bergbahnen finanzielle Soforthilfe, Kredite, Bürgschaften, Kurzarbeitergeld und steuerliche Maßnahmen  (z.B. Stundung).  Jedoch seien weitere Finanzspritzen, eine frühzeitige Wiedereröffnung und machbare Auflagen für Seilbahnen notwendig, so der Verband abschließend.