Planen & Bauen, SI 6/2021, SI-Alpin
Hochkant – Vom Themen- zum Erlebnisweg
„Alpkönig“ und „Allgäu-Pionier“, Begründer der regionalen Milch- und Käsewirtschaft und Erbauer des ersten Berghotels im Allgäu – Carl Hirnbein (1807- 1871) ist eine herausragende Persönlichkeit, welche die Region Allgäu stark geprägt hat.
Der visionäre Agrarreformer, Politiker und Unternehmer ist ein Aushängeschild des Marktes Weitnau und der Gemeinde Missen-Wilhams, weil er hier gelebt und gewirkt hat. Deswegen gibt es dort auch seit über 20 Jahren den Carl Hirnbeinweg, der die beiden Orte miteinander verbindet. Der Pfad auf dem Rücken des Hauchenbergs ist weit über die Gemeindegrenzen hinaus beliebt und bekannt.
Die Maus Käsimir ist das Maskottchen des Carl Hirnbeinwegs.
Von der Idee bis zur Umsetzung
„Nach zwei Jahrzehnten sind die Stationen in die Jahre gekommen und es kam der Wunsch auf, diese neu zu gestalten und in die heutige Zeit zu heben“, berichtet Werner Wechsel, Projektleiter und Geschäftsführer des Unternehmens HOCHKANT.
Die Grundlage für das Konzept lieferte eine Bürger-Projektgruppe im Rahmen der Staatlich anerkannten Alpen-Modellregion Weitnau/Missen- Wilhams, einem kommunalen Förderprojekt der Ländlichen Entwicklung Bayern.
Die Ehrenamtlichen erfassten und bewerteten die bestehenden Stationen sowie sammelten Ideen – und unterstützten so die Bürgermeister und Tourismusbüros der beiden Gemeinden bei der Entwicklung des Projekts.
Für HOCHKANT galt es dann, einen roten Faden zu finden, Carl Hirnbein an jeder Station zu thematisieren und des- sen Pioniergeist herauszuarbeiten, berichtet Wechsel: „Der Weg hatte bisher ein sehr weites Themenfeld, ein Alleinstellungsmerkmal war für die Besucher nicht klar erkennbar.“
Deswegen entwickelte HOCHKANT – eng mit der Projekt- gruppe abgestimmt – ein umfassendes Konzept und setzte es in allen Belangen selbst um.
Didaktisch durchdachte Spielgeräte, Infostelen und interaktive Elemente vermitteln Wissen über Carl Hirnbein und das Allgäu.
Von der Recherche bis zur Didaktik
Großes Augenmerk legte das Unternehmen auf die Themen- und Fotorecherche, sowie die historisch korrekte Texterstellung: Die Firma sichtete Literatur, führte Interviews mit Experten vor Ort, etwa mit dem Leiter des Carl-Hirnbein-Museums und den Nachfahren Hirnbeins, und sammelte Bilder in Archiven, Museen und Privatsammlungen.
„Vor allem historische Fotos waren nur mit viel Aufwand zu bekommen“, berichtet Manuela Müller- Gaßner, die im Hause HOCHKANT für die Konzeptentwicklung und die inhaltliche sowie grafische Gestaltung der Stationen zuständig war.
Bei den Texten für die Tafeln und den Flyer half der Allgäuer Historiker Leo Hiemer, der ein Buch über Carl Hirnbein geschrieben hat. Die Didaktik hat HOCHKANT dreigleisig aufgebaut. An jeder Station finden sich drei Punkte für die gesamte Familie:
- Vor Hirnbeins Zeiten (Wie war die Ausgangslage?)
- Carl Hirnbein und seine Zeit (Was hat Hirnbein verändert?)
- Und wie ist es heute? (Wie haben sich die Dinge entwickelt und worin liegen heute die Herausforderungen?)
Zudem erklärt die Leitfigur Käsimir an jeder Station einen spannenden Themenaspekt auf kindgerechte Weise. „Käsimir ist die Hausmaus aus Carl Hirnbeins Käsekeller“, so Müller-Gaßner.
Vom Schild bis zum Flyer
Bei HOCHKANT sind alle Gewerke, die es für die ganzheitliche Umsetzung von Themenwegen braucht, unter einem Dach vereint. So waren die hauseigenen Grafiker für die gesamte Gestaltung der Informationsschilder zuständig – von der Entwicklung des Designs bis zur Layouterstellung.
Auch die Interaktionen, welche an fast allen Stationen integriert wurden, hat die Allgäuer Firma selbst konzipiert und teilweise neu entwickelt. „Nach dem Motto ‚Lernen durch tun‘ bringen wir die Kerninformationen über interaktive Elemente an die Gäste“, be- tont Müller-Gaßner.
Beispiele dafür sind Klapp- und Drehtafeln, Zugschilder, Blicklenkungen, ein Schaukasten, Schaurohre, kinetische Audiostationen und ein Steinschleiftisch.
„Wichtig war uns auch die Schaffung von Synergien, um einen Mehrwert für die Region zu generieren“, berichtet die Konzepterin. Bestes Beispiel: Die Gastro-Stele mit Informationen über das kulinarische, touristische und kommerzielle Angebot vor Ort — inklusive QR- Code.
„Die Wanderer können von unterwegs ihre Einkehr planen und reservieren“, freut sich Müller-Gaßner. Zum Hirnbeinweg gibt es auch einen Informationsflyer, der ebenfalls von HOCHKANT erstellt wurde.
Von der Skizze bis zum Bau
Bei der Hardware hatte HOCHKANT „alle Gewerke unter einem Dach“. Insgesamt 40 neu konzipierte Infostationen, eine Kletteranlage in Blumenform und eine Motorikanlage zum Thema „Die Erschlie- ßung des Allgäus – Pferdewagen, Flößer, Eisenbahn“ hat das Unternehmen umge- setzt.
Die Arbeit begann mit der Standortsuche, setzte sich mit der Planung und dem Bau in der hauseigenen Werk- statt fort und endete mit der Montage vor Ort – inklusive Fundamentarbeiten. „Wir verwenden möglichst langlebige, wartungsarme, wetter- und vandalismusfeste Materialien, welche wir handwerklich hochwertig verbauen“, betont Wechsel die konstruktive Herangehensweise.
Das Ergebnis ist ein 6,5 Kilometer langer Erlebnisweg, der von Touristen und Einheimischen rege angenommen wird. Er startet in den jeweiligen Ortskernen und führt durch Wälder, über Wiesen, vorbei an Teichen und Bächen, bietet zahlreiche Aussichtspunkte und durchquert eine kleine Klamm.
Es gibt Ausweichrouten für Kinderwagen und Fahrräder, zahlreiche Spielgeräte und sogar ein grünes Klassenzimmer, schließt die Projektleiterin: „Mitten auf der Waldlichtung werden Kinder unterrichtet. Das ist Pionierarbeit wie von Carl Hirnbein!“