Planen & Bauen, SI 7/2020, SI-Alpin
Neue Ära am Nebelhorn
Nach 90 Jahren ist die alte Nebelhornbahn endgültig in Pension gegangen. Sie ist ein Stück ehrwürdige Geschichte in Oberstdorf und den Allgäuer Alpen. Bei ihrer Eröffnung im Juni 1930 galt die in drei Sektionen ausgeführte Bahn als längste Personenschwebebahn der Welt. Mitten aus dem Ortszentrum führt sie zur längsten Talabfahrt Deutschlands. Sie überwindet auf einer Länge von 5,7 Kilometern einen Höhenunterschied von 1.400 Metern. Durch den Ganzjahresbetrieb präsentiert sich das Gebiet rund um das Nebelhorn Winter wie Sommer als attraktives Ski- und Freizeitparadies.
Urbanes Seilbahnprojekt
Die Herausforderungen bei der Planung der neuen Nebelhornbahn waren vielschichtig. Nachdem die Talstation und ein Teil der unteren Sektion im direkten Siedlungsgebiet von Oberstdorf liegen, handelt es sich durch die Überspannung um ein urbanes Seilbahnprojekt mit vielen betroffenen Grundeigentümern und Anwohnern.
Dies wurde durch rund 100 Einwendungen während des Genehmigungsverfahrens und einer Klage gegen den positiven Planfeststellungsbescheid eindrucksvoll dokumentiert. Die umsichtige und naturnahe Planung, das perfekte Projektmanagement aller Beteiligten mit schlüssigen Argumenten und Arbeitsabläufen konnten das Landratsamt und das Verwaltungsgericht jedoch davon überzeugen, das Projekt termingerecht zu starten.
Klenkhart & Partner
Die Bergstation ist zwar ein neuer Baukörper, nutzt aber auch Bestand.
Bau von Corona geprägt
Zudem war eine der Forderungen des Betreibers, den Publikumsbetrieb mit der Bestandseilbahn möglichst lange aufrecht zu erhalten und trotzdem mit der Umsetzung zu beginnen. Mit den Bauarbeiten für die neue Zweiseilumlaufbahn wurde bereits im Sommer 2019 begonnen, wo der Fokus auf der Sektion II lag. Gemäß dem Credo einer naturnahen Einbindung wurden bestehende Trassen und Stützenstandorte wiederverwendet.
Man lag gut im Zeitplan. Einzig die Corona-Pandemie brachte den Terminplan etwas durcheinander. So entschied man sich bereits im Frühjahr 2020, auf den Sommerbetrieb gänzlich zu verzichten, weshalb mit Hochdruck auch im unteren Abschnitt gearbeitet werden konnte. Vorteil: Der ursprünglich für Juni 2021 geplante Betriebsbeginn kann bereits Ende März erfolgen.
Kein Umsteigen, kein Warten
Komfort steht dabei an erster Stelle: Barrierefreier Einstieg und Sitzmöglichkeiten für jeden Gast ermöglichen eine aussichtsreiche Fahrt. Die Passagiere müssen an der Mittelstation nicht mehr umsteigen und auch keine Wartezeiten weiter Richtung Gipfel in Kauf nehmen.
Realisiert wird dies durch die neue 10er Kabinenbahn auf zwei Sektionen. Die bisherige Förderleistung von 600 Personen pro Stunde wird auf 1.200 verdoppelt. Sektion I überwindet auf einer horizontalen Länge 2.093 Meter mit einem Höhenunterschied von 450 Metern und wird mit 27 Gondeln bestückt. Bei Sektion II verteilen sich 31 Kabinen auf einer Länge von 2.447 Metern und einem Höhenunterschied von 653 Höhenmetern.
Die Entscheidung für eine Zweiseilumlaufbahn mit 10er Kabinen auf nur sechs Stützen fiel aufgrund der hohen Windanfälligkeit im Bereich der Sektion II und der mitunter großen Lawinengefahr im Trassenbereich. Zudem eignet sich dieser Seilbahntyp am besten für die schwierige Grundstückssituation im urbanen, unteren Bereich.
Klenkhart & Partner
Die Talstation wird Teil eines urban-touristischen Konzeptes.
Durchdachte Stationskonzepte
Im Talstationsbereich wurde der gesamte Altbestand abgetragen und durch neue Gebäude für Seilbahntechnik, Verwaltung, Multifunktionsräume und eine Tiefgarage ersetzt. Gleichzeitig wurde die Fußgängerzone neu adaptiert. Diese reicht nun vom Bahnhof bis zur Talstation der Nebelhornbahn. Oberstdorf fördert damit den Gedanken für nachhaltigen Tourismus: autofreie Anreise, fußläufige Erreichbarkeit für Bahn- und Ortsgäste.
Außerdem wird der Bau selbst zum Hingucker schlechthin – imposante Glaselemente, geschwungene Linien und viel heimisches Holz runden das Ortszentrum perfekt ab. Im Mittelstationsbereich wird der Kellerbahnhof für beide Sektionen untergebracht. Zudem finden Gästetoiletten, eine Werkstatt mit integrierter Schlosserei, ein Generatorraum und diverse Lager Platz.
Die Bergstation wird zwar als neuer Baukörper errichtet, aber direkt an den historischen Bahnsteig angegliedert. Dadurch wird auch hier ein ebenerdiger barrierefreier Zugang möglich. Zudem mutieren die nicht mehr genutzten Räume durch Stilllegung der Bestandbahn zu Technik- und Lagerkapazitäten.
Langjährige Partnerschaft
KLENKHART & PARTNER, die seit Jahren erfolgreich als Planer bei der Nebelhorn AG tätig sind, waren zuvor bereits für die Planung und Umsetzung der Beischneiungsanlagen inkl. Naturspeicherteich, Pistenbau u.v.m. verantwortlich.
Diesmal wurden KLENKHART & PARTNER mit der Erstellung der Ein-reichunterlagen für das Planfeststellungsverfahren, das Lawinengutachten und für die gesamten Pistenbaumaßnahmen beauftragt. In ihrer Verantwortung lag auch die Mitwirkung bei der Vergabe Seilbahntechnik und den Baumeisterarbeiten. Weiters oblag dem bewährten Team die Projektsteuerung sowie die technische Oberbauaufsicht während der gesamten Planungs- und Bauphase.