Seilbahn & Technik, SI 3/2021, SI-Alpin
SISAG – Die Zukunft ist autonom
Der Schweizer Spezialist für Seilbahnsteuerungen SISAG hat schon sehr früh erkannt, dass die Seilbahnbetreiber mit hohen und stetig steigenden Betriebskosten konfrontiert sind. Es gibt verschiedene Ansätze dem entgegenzuwirken, etwa durch die Auslagerung von Dienstleistungen für Service, Support und Technische Leitung oder durch die Optimierung der betrieblichen Prozesse mittels Digitalisierung.
Am reizvollsten scheint aber die Automatisierung der Anlagen zu sein. Der sogenannte Fahrgastbetrieb ohne Bedienpersonal (FoB) basiert auf der Annahme, dass keine aktive Überwachung der Anlage oder unbesetzter Stationen durch Personal (auch nicht indirekt durch Videokameras) erfolgt. Nur im Falle eines Ereignisses oder einer Fahrgastanfrage muss ein Mitarbeiter im Aufsichtsposten geeignete Maßnahmen ergreifen.
Paradebeispiel
für den Fahrgastbetrieb ohne Bedienpersonal ist die Standseilbahn die Standseilbahn Lugano – Stazione.
FoB – Chancen
FoB bietet somit echte Vorteile: Personalkosten können gesenkt, Dienstpläne optimiert und die Verfügbarkeit von Seilbahnen erhöht werden. „Damit wird auch in auslastungsarmen Zeiten ein rentabler Betrieb möglich“, so Marco Zgraggen, CEO der SISAG.
Zudem kann durch längere Betriebszeiten die Attraktivität von Seilbahntransporten generell gesteigert werden, zum Beispiel bei der Erschließung von Siedlungsgebieten. Gleichzeitig ist es möglich, das an den Stationen eingesparte Personal für andere Aufgaben oder die Entwicklung von neuen Tätigkeitsfeldern einzusetzen.
FoB – Risiken
Allerdings muss jede technische Lösung von geeigneten operativen Maßnahmen begleitet werden. Die Anpassung des Betriebs in einen Fahrgastbetrieb ohne Bedienpersonal ist eine wesentliche Änderung des Betriebs. Sie erfordert eine Anpassung der Betriebsbewilligung.
Zudem nimmt die Risikoakzeptanz in der heutigen Gesellschaft laufend ab. Deshalb müssen Ersatzmaßnahmen getroffen werden. Je nach Fahrgast kann ein ungewohnter Seilbahnbetrieb ohne Bedienpersonal zu Unsicherheiten führen, etwa mit Blick auf fehlende Ansprechpersonen, unklare Abläufe und schlechte Lichtverhältnisse. „Klare Verhältnisse und sichtbare Maßnahmen schaffen aber Abhilfe“, ist Zgraggen überzeugt.
Bandbreite von FoB:
Cockpit mit SisControl
FoB – Automatisierung auf drei Ebenen
FoB kann auf drei Ebenen realisiert werden. Auf der Stufe des Anlagenbaus bzw. Umbaus lässt sich eine Seilbahnsteuerung mit zusätzlicher Sicherheitsüberwachung, sowie baulichen und seilbahntechnischen Maßnahmen umsetzen, welche die Mitarbeiter für andere Aufgaben im Unternehmen frei macht.
Zudem können Kommunikationseinrichtungen ausgebaut werden. Beispiele hierfür sind Audiosprechstellen auf Stationen und in Fahrzeugen, Videoüberwachung oder Datenschnittstellen zu Leitstellen.
Auf der Stufe der Betriebsmittel schafft ein Cockpit mehr Überblick, erleichtern Videowand und Audiosprechstellen die Kontrolle und sorgen Ticketautomaten und -Lösungen wie SisTIQ für optimalen Kundenservice.
Auf der Stufe der Leitstelle geht es wiederum um Führungskonzepte, Fernüberwachung ab Leitstelle und eine Pikettorganisation bzw. einen 1st Level Service der Seilbahnanlagen.
FoB – Rahmenbedingungen
Da FoB eine neue Technologie darstellt, hat die Seilbahnbranche in der Schweiz erst kürzlich Rahmenbedingungen für die Umsetzung solcher betrieblichen Anpassungen erarbeitet.
Die Betreiber (Verband Seilbahnen Schweiz, Zermatt Bergbahnen AG), Behörden (BAV, IKSS) und Hersteller (Sisag, BACO,GARAVENTA) haben Ende 2020 gemeinsam eine Technische Richtlinie veröffentlicht, die kostenlos zum Download bereitsteht.
Technische Richtlinie
FoB – Pilotanlagen
Bei Standseilbahnen wurde das Konzept FoB schon in sehr vielen Projekten realisiert. Paradebeispiele sind die Standseilbahn Luxembourg Pont Rouge, die Standseilbahn Mühlegg St. Gallen und die Standseilbahn Lugano – Stazione.
Dabei wurde meist die Überwachungsfunktion von einer bestehenden Leitstelle übernommen, welche auch für die übrigen Transportanlagen (Bus und Bahn) den 1st Level Support sicherstellte. Neu hingegen ist, dass im Dezember 2020 erstmals eine Gondelbahn mit FoB ausgerüstet wurde.
„Wir von der SISAG durften für die Doppelmayr/Garaventa Gruppe die Seilbahnsteuerung inkl. Audio- und Video-Kommunikation bereitstellen“, berichtet Zgraggen. Erste Erfahrungen aus dem Winter 20/21 sind durchwegs positiv und zeigen das Potential des neuen Betriebskonzeptes.
Bandbreite von FoB:
Digitales Ticket SisTIQ
FoB – erweiterte Produktpalette
Doch FoB bleibt nicht bei Steuerungen stehen. So hat SISAG mit SisControl ein Cockpit für die Digitalisierung und Zentralisierung der Informationen, für den Betrieb ab einer Leitstelle und für die Automatisierung des Fahrplans entwickelt.
Mit SisMedia steht zudem eine Audio- und Videoüberwachung zur Verfügung, mit der die Leitstelle mit dem Gast kommunizieren kann. Der jüngste Clou von SISAG ist aber die digitale Fahrkarte SisTIQ.
Mit dem Handy kann der Gast ganz einfach ein QR-Code an der Tal-, Mittel oder Bergstation einer FoB-Seilbahn einscannen und dann einen Fahrbefehl auslösen. Bezahlt wird per Rechnung, TWINT oder Webshop.
„Zusätzliche Hardware vorort wird keine benötigt, lediglich ein QR-Code zum Einscannen“, freut sich Zgraggen. Die Ticketlösung ist derzeit im Aufbau und wird erstmals bei der Pendelbahn Biel-Kinzig ab Juni 2021 in Betrieb gehen