Sisag und die Gurtenbahn: Autonom fahren, mobiler Aufsichtsposten

„Das transformativste Projekt seit 125 Jahren“ – so bezeichnet der Technische Leiter Raphael Matter das neue Betriebskonzept der Gurtenbahn. Die Standseilbahn am Berner Hausberg fährt ab sofort autonom, Fahrgäste werden mit Künstlicher Intelligenz erfasst – dank der Firma SISAG.

„Eigentlich sind wir eine neue Firma“, so beschreibt Raphael Matter, Technischer Leiter der Gurtenbahn, den großen Schritt zum autonomen Betrieb der Standseilbahn.

Im Zuge der Modernisierung der Anlage am Berner Hausberg wurden nicht nur die Fahrzeuge und die Stationen erneuert, sondern auch das komplette Ticket- und Betriebskonzept überarbeitet.

„Die Gurtenbahn hat ein „All-in-One-Paket“ für einen vollautomatischen und personenunabhängigen Seilbahnbetrieb bestellt, was wir in Zusammenarbeit mit der GARAVENTA AG umgesetzt haben“, fasst Martin Schuler, Leiter ICT-Projekte bei SISAG, zusammen.

Die Gäste kontrollieren sich selbst

Das beginnt bereits beim Zutrittssystem. In der Talstation der Gurtenbahn gibt es keine Drehkreuze mehr, der Betreiber setzt auf die Selbstkontrolle der Gäste.

„Wir sehen uns als Teil des öffentlichen Nahverkehrs in Bern, deswegen ist der Bahnsteig zugleich auch der Wartebereich ohne Zugangsbeschränkung“, so Matter. Die Gäste lösen ihr Ticket entweder online oder an den zwei Ticketautomaten.

Die Gurtenbahn

ist in den Tarifverbund des Berner Nahverkehrs integriert.

Zudem ist die Gurtenbahn in den Tarifverbund des Berner Nahverkehrs integriert. Eine Kasse mit Verkaufspersonal gibt es nicht mehr. „Wir setzten auf die Eigenverantwortung der Menschen – so wie es in den übrigen öffentlichen Verkehrsmitteln schon lange der Fall ist“, sagt Matter.

Für Sicherheit beim Zustieg sorgen Bildschirme mit Gästeinformationen, automatische Audiodurchsagen und LEDLichter, die den Gästen signalisieren, wann sie wo einsteigen können.

Hinzu kommen automatische Bahnsteigtüren, damit niemand auf die Gleise fällt, ein barrierefreier Einstieg in das erste Abteil, sowie Leitsysteme für Menschen mit Sehbeinträchtigung.

Sicherheit

LED-Lichter signalisieren den Gästen, wann sie wo einsteigen können.

Die Bahn fährt selbst

Bislang waren fünf Mitarbeitende nötig, um den Betrieb der Standseilbahn zu betreuen, zwei davon fuhren sogar in den beiden Wagen mit.

Dank der innovativen Steuerung von SISAG, 34 Kameras in den Stationen, an der Strecke und in den Fahrzeugen sowie dem SISControl Cockpit mit automatischer Bildaufschaltung, ist am Tag nur noch ein „Operator“ in der Leitstelle an der Bergstation und ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin in der Talstation tätig.

Beide stehen für Notfälle und Fragen der Gäste bereit und kümmern sich zudem um das Parkhaus. Es handelt sich hier um keine Maschinisten oder seilbahntechnische Fachkräfte.

„In den Randzeiten ist von uns keiner mehr vor Ort, die Standseilbahn fährt selbstständig“, so Matter. Nach Betriebsschluss löscht die Steuerung automatisch das Licht und schließt die Tore.

Die Leitstelle:

Sitz des Operators in der Bergstation.
© Gurtenbahn

Die Gäste werden gezählt

Für den autonomen Betrieb ist ein Fahrplan im 15-Minuten-Takt hinterlegt, der bei Bedarf auf einen 10 Minuten-Takt herabgesetzt werden kann.

Bei großem Andrang schaltet die Steuerung auf Durchgangsbetrieb, damit fahren die Wagen alle sieben Minuten. „Entweder wir befehlen die Taktung manuell oder das System löst die Fahrt automatisch aus – das ist aktuell bei 60 Prozent Füllvolumen der Fall“, betont Matter.

Dabei kommt die 3D-Sensortechnik von SISAG zum Einsatz. Diese erfasst Anzahl und Art der Fahrgäste (Erwachsene, Kinder, Personen im Rollstuhl), Fahrräder, Kinderwagen und ähnliches.

Mit einer Punktwolke werden also nicht nur Personen und Dinge gezählt, sondern auch klassifiziert. „Die qualitative Erfassung dient nicht nur dem optimierten Fahrbetrieb, sondern auch der Abrechnung im Tarifverbund und als Statistik für strategische Entscheidungen“, so Schuler.

Sensorentechnik

Mit einer Punktwolke werden die Fahrgäste klassifiziert.

Die Personenzählung lernt dabei mittels Machine Learning ständig dazu und klassifiziert Personen und Dinge immer besser. Davon profitieren künftig auch andere Betreiber von Seilbahnanlagen. Zudem wurde eine Schnittstelle zur Instandhaltungssoftware SAMBESI von REMEC eingerichtet, der Schwesterfirma
von SISAG.

Gäste und Betreiber bleiben informiert

Ob Randzeiten oder nicht – die Sicherheit und der Service bleiben dank SISAG gewährleistet. Während die Gäste per Notruf jederzeit mit einer Sprechstelle verbunden sind – am Tag mit dem Operator, am Abend mit dem Dienstleister Securitas – hält die Anlage Kontakt mit dem Betriebsverantwortlichen.

„Bei Störungen meldet sich die Bahn automatisch am Piketthandy“, berichtet Michael Arnold, Leiter SisControl bei SISAG. Antwortet der Bereitschaftsdienst nicht, wird automatisch eine weitere Eskalationsstufe informiert.

Raphael Matter

Technischer Leiter Gurtenbahn

„SISAG hat die fortschrittlichste und innovativste Steuerung am Markt – davon bin ich überzeugt. Hinzu kommt 100 Prozent Kundenfokus: Unsere Wünsche werden live umgesetzt, der Kontakt ist eng – auch nach Abschluss der Installation. Zusammen mit der Fahrgastzählung und der Instandhaltungssoftware SAMBESI der Schwesterfirma REMEC, setzt SISAG den Maßstab in der Branche und liefert genau das, was wir brauchen!“

Zudem kann der Technische Leiter über den mobilen Aufsichtsposten von überall und jederzeit in die Steuerung einsehen. Generell ist die Steuerung so programmiert, dass die Bahn bei einem Fehler selbstständig anhält.

Erfahrungen von Gästen und Personal

Seit Frühjahr 2024 ist das neue Betriebskonzept der Gurtenbahn scharf. Und die Erfahrungen können sich sehen lassen:

„Früher hatten wir Probleme mit der Gästezufriedenheit, obwohl wir die Kunden servicetechnisch verwöhnt hatten. Dank dem autonomen Betrieb hat der Gast nun seine Eigenverantwortung zurück, was den Ablauf verbessert und die Zufriedenheit erhöht hat“, schildert Matter.

Das traf auch auf die große Bewährungsprobe zu, dem Gurtenfestival: An vier Tagen transportierte die Standseilbahn in 900 Fahrten 100.000 Gäste.

Auch die Mitarbeitenden profitieren von dem neuen Konzept: Sie müssen nicht mehr in den unattraktiven Randzeiten arbeiten, in den – mit der Zeit – heißen Wagen sitzen oder einer eintönigen Arbeit nachgehen.

„Dank SISAG haben wir jetzt mehr Zeit für andere Tätigkeiten, was unseren Beruf abwechslungsreicher macht“, freut sich Matter.