Management & Tourismus, SI 4/2020
SCHLECHTE BIKESTRECKEN: DIE SCHATTENSEITE DES BOOMS
SI: Mountainbike-Strecken, kurz MTB, boomen – besonders in den Bergen und betrieben von Seilbahnen. Trails und Co. schießen wie Pilze aus den Boden. Das ist doch eine erfreuliche Entwicklung?
Christoph Matzke: Grundsätzlich ja, aber viele dieser Pilze stinken nach einem Jahr, um im Bild zu bleiben. Die Qualität vieler Mountainbikestrecken ist erschreckend.
Die Entwässerung ist oft fehlerhaft, Trails werden innerhalb von wenigen Monaten zu unfahrbaren, steinigen Schlammstrecken. Hinzu kommen mangelhafte Holzbauten und stümperhafte Hangsicherungen.
Warum gibt es diese Schattenseite des Booms?
Die Branche der Trailbauer ist noch realitv jung, es gibt kaum Normen und Vorgaben. Der Bau von MTB-Strecken ist ein freies Gewerbe, jeder darf Pumptracks und Co. errichten.
Es gibt viele gute Firmen, aber leider auch viele schwarze Schafe, die sich am Boom bereichern wollen. Diese Anbieter haben keine Ahnung von Verdichtung, Hangsicherung oder Drainagen.
Für den Trailbau ist also besseres Know-how notwendig?
Absolut. Zum Vergleich: Der klassische Erdbau ist ein reglementiertes Gewerbe mit Ausbildungsvorausetzungen. Ich selbst habe Geotechnik und Bodenmechanik studiert und als Ingenieur im Tief- und Tunnelbau gearbeitet.
Das ist zwar keine Astrophysik, aber mit Blick auf Hangsicherung, Entwässerung und Co. sinnvoll. Umso unverständlicher ist es für mich, dass der Trailbau kaum rechtliche Vorgaben erfüllen muss.
Wenn jemand privat einen Pumptrack errichtet, darf er das natürlich. Aber wenn schlechte Qualität als professionell verkauft wird, haben wir ein Sicherheitsproblem.
Welche Folgen haben schlechte MTB-Strecken noch?
Einerseits geht die schlechte Qualität richtig ins Geld. Ich habe schon viele Seilbahnunternehmen getroffen, die im zweiten Jahr mit den MTB-Strecken unzufrieden waren und bestehende Trails kosten- und zeitintensiv neu errichten mussten.
Ein Meter Trail kostet zwischen 30 und 150 Euro, der Bikeboom lässt die Bergbahnen viel Geld ausgeben. Andererseits schrecken mangelhafte Trails wichtige Zielgruppen ab.
Wenn die Strecke zu steil, zu schlammig oder zu steinig wird, trauen sich viele Familien und Kinder nicht mehr hinunter. Gefährlich wird es bei mangelhaften Holzbauten, aus meiner Erfahrung sind bis zu 50 Prozent nicht in Ordnung.
Auch hier stoßen wir auf die irrwitzige Situation, dass der Holzbau eigentlich gewerblich geschützt ist und durch profesionelle Tischler, Schreiner und Zimmerer ausgeführt werden muss. Aber Schanzen, Kurven und ähnliches werden oft von den Trailbauern selbst gebaut.
Als Trailbauer- und Berater sind Sie viel im Alpenraum unterwegs. Zudem sind Sie im engen Austausch mit anderen professionellen Anbietern. Gibt es Unterschiede zwischen den Ländern?
Durchaus. Am besten sind meiner Meinung nach die Bikeangebote in Frankreich und der Schweiz, gefolgt von Italien. Deutschland und Österreich hinken etwas hinterher, in der Alpenrepublik gibt es ein großes Verbesserungspotential.
Was raten Sie Bergbahnen, die Trails und Parks errichten wollen?
Sehen Sie sich die Anbieter genau an, fordern Sie Nachweise für das nötige Know-how und informieren Sie sich über Referenzanlagen. Zudem empfehle ich eine externe Trailbau-Aufsicht bzw. Bauleiter.
Ich selbst werde oft als Berater konsultiert und bin somit quasi der Dritte im Bunde. Dabei vertrete ich den Kunden gegenüber dem Anbieter, kontrolliere die Bodenverdichtung, die Entwässerung, die Hangsicherung, führe eine Baudokumentation usw.
Was wird gegen den Wildwuchs an MTB-Strecken unternommen?
Auf Initiatve von Hubert Leibl vom Trailbauunternehmen Balsamico arbeiten derzeit zwanzig Experten an ersten Normen für MTB-Strecken – zumindest für Österreich.
Denn das Problem der schlechten Qualität ist bereits der ganze Branche bewusst. Das Fachgremium, dem auch ich angehöre, wurde durch einen strengen Bewerbungsprozess zusammengestellt und will bis Ende 2020 eine Ö-Norm für MTB-Strecken veröffentlichen.
Wir sind uns bewusst, dass ein Regelwerk die Kreativität von Trailbauern beeinträchtigen kann, aber die Bergbahnen brauchen unabhängige Kriterien, mit denen sie die Leistung der Firmen bewerten können.
Im Winter ist der Standard in den alpinen Skigebieten sehr hoch, arbeiten wir gemeinsam daran, dass dies auch im Sommer der Fall ist!
Das Interview führte Thomas Surrer