VTK in Lenzerheide: Weitblick bewahren

Von autonomen Sesselbahnen über die Nutzung von bestehenden Infrastrukturen bis zu den Erfolgsfaktoren von Biketrails reichten die Themen der VTK-Tagung 2024 in Lenzerheide. Mit 483 Teilnehmern und 58 Ausstellern brach der Branchentreff alle bisherigen Rekorde.

Unter dem Motto „Weitblick in der Gegenwart“ erhielten die Besucher der VTK-Tagung in Lenzerheide (Kanton Graubünden) wichtige Informationen von Behörden, Skigebieten, Forschung und Zulieferindustrie.

Zwölf Referate und zwei Exkursionen bildeten den Kern der Versammlung, die durch eine große Ausstellung der Industrie bereichert wurde. Durch die Tagung in der Mehrzweckhalle Lenzerheide führte Moderator und VTK-Vorstand Andreas Sturzenegger. Am Vorabend gab es bereits ein Nachtessen im Bergrestaurant Scharmoin. Die Begrüßung am Tag 1 erfolgte durch VTK-Präsident Andreas Zenger.

BAV: Empfehlungen nicht umgesetzt

Urs Bürgi von der Aufsichtsbehörde BAV betrat als erster die Bühne. Er lobte die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf Planung und Dokumentation der Wartung von Seilbahnanlagen. Auch bei der Arbeitszeitkontrolle gebe es (kleine) Fortschritte.

Handlungsbedarf sieht Bürgi bei der Umsetzung von Maßnahmen, die externe Spezialisten empfohlen haben. Zudem sei die Fluktuation und der dadurch spürbare Wissensverlust ein Problem. Bürgi ging auch auf die Intervalle der visuellen Seilinspektion, das Behindertengleichstellungsgesetz und die Zunahme an Leichtverletzten ein.

Netzwerkabend

Mit Apéro in der Bergstation und Abendessen im Gipfelrestaurant auf dem Scharmoin.

IKSS: Ausstiegsbereiche optimieren

Über säumige Betreiber, die das Hilfsmittel für Schlepplifte nicht eingereicht haben, klagte Bürgis Behördenkollege Patrick Siggen vom IKSS. Er mahnte zudem, die Ausstiegsbereiche breit genug anzulegen, um Unfälle zu vermeiden. Auch bei der Überfahrsicherung und der Spannseilwinde gebe es oft Handlungsbedarf.

Zudem ging Siggen auf die neue Gebührenordnung, diverse Hilfsmittel und die Ereignisstatistik 2023 ein. Starkniederschläge, Instandhaltungsmängel und das Fehlverhalten der Fahrgäste seien hier erwähnenswert. Auch einen Brandfall nannte Siggen.

„Die Zunahme an Leichtverletzten gibt zu denken. Ob Corona oder das Wetter – die Gründe dafür sind unklar.“ – Urs Bürgi (BAV).

„Ob für Förderbänder, Schlepplifte oder Kleinseilbahnen – das SBS bietet zahlreiche neue Schulungen an.“ – Patrick Siggen (IKSS)

„40 Prozent der 150 Teilnehmer der Nachwuchskampagne ‚Call of Heroes‘, wollen Seilbahner werden!“ – Berno Stoffel (SBS)

SBS: Techniktrends & Regulationsdruck

Fünf Branchentrends hatte dann Berno Stoffel, Präsident des Verbandes Seilbahnen Schweiz, mitgebracht.

  • Erstens die Nachhaltigkeit in Form von energieeffizienten und mit Ökostrom betriebenen Bergbahnen.
  • Zweitens die Convenience, die sich durch größere und komfortablere Fahrzeuge, Ausstattung und Barrierefreiheit auszeichnet.
  • Drittens Sicherheit und Haftung – beide Themen profitieren durch digitale Überwachung, autonome Systeme und Cyber Security.
  • Eng damit verbunden ist – viertens – die Digitalisierung, die sich unter anderem im Betrieb ohne Personal mittels Künstlicher Intelligenz (KI) und Aus- und Weiterbildung ausdrückt.
  • Als fünften Punkt beklagte Stoffel den Regulationsdruck, etwa durch immer höhere Sicherheitsstandards, Umwelteinschränkungen und das Arbeitszeitgesetz.

Der SBS-Präsident ging zudem auf die Projekte des Verbandes ein, allen voran zur Zukunft der Technischen Leiter. Hier lud Stoffel dazu ein, bei der Branchenumfrage teilzunehmen.

Carlo Staldegger (Mitte) von REGUPOL war ein gefragter Gesprächspartner.

Marcel Meier von JAKOB ROPE SYSTEMS (rechts) argumentierte mit Leidenschaft.

Janis Jülke zapfte von der BÄCHLER-Schneilanze kühles Bier.

Arosa-Lenzerheide: Fusion mit Folgen

Danach war die Bühne frei für die Gastgeber: Maurin Malär, Gemeindepräsident von Vaz/Overvaz, Thomas Küng, CEO der Lenzerheide Bergbahn AG, und Philipp Holenstein, CEO der Arosa Bergbahnen AG.

Maurin Malär betonte das große Budget und die gute Infrastruktur, die nur durch den Tourismus möglich sind. Da nahezu alle Menschen davon leben – direkt oder indirekt – baut und betreibt die Gemeinde selbst entsprechende Infrastruktur.

Küng und Holenstein priesen die Vorteile der Skigebietsverbindung der beiden nach wie vor eigenständigen Bergbahnen an – darunter Synergien in Marketing, IT, Einkauf oder Versicherung. Abgerechnet wird intern nach der Zeit, die der Gast im jeweiligen Gebiet verbracht hat. Die beiden Bergbahner kündigten die Neuerschließung des Gebiets Hörnli an – mit 40 Millionen Franken für den Bahnbau und 15 Millionen Franken für die Beschneiung.

Branchentreff:

58 Aussteller in zwei Zelten: Das ist neuer Rekord.

Bestehende Infrastruktur nutzen

Wie Bergbahnen bestehende Infrastrukturen erhalten und umnutzen können, zeigte Bauingenieur Thomas Joos. So können Bauzeiten gespart, Ressourcen geschont und Kosten gesenkt werden. Dazu müssen die Daten und Planungen jedoch früh vorliegen.

Herausforderungen liegen in der Bedürfnisformulierung – Gesamtheitliche Betrachtung – Lösungsfindung, dem Zeitmanagement und dem Bewilligungsprozess. Joos ging dabei detailliert auf Umbauten und Umnutzungen von Stationen und Garagen ein, sowie auf die Ertüchtigung von Stützenfundamenten und Stationssteher.

„Durch die Fusion von Arosa und Lenzerheide verzeichneten wir in zehn Jahren 15 Prozent mehr Umsatz als der Markt“ – Thomas Küng.

„Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam. Unsere Unterschiede machen uns zusammen stark“ – Philipp Holenstein

„Bei der Bestandsnutzung müssen alle Beteiligten Kompromisse eingehen. Das braucht Zeit!“ – Thomas Joos (Alping.ch).

Erfahrung mit autonomen Sesselbahnen

Über den Betrieb autonomer Sesselbahnen berichteten Marcel Nussbaumer, Leiter Marketing & Verkauf GARAVENTA, und Carl Biagosch, Co-Founder von MANTIS.

Während GARAVENTA die Ausstiegsbegrenzung, die Trittmatten und die Notfallsäulen liefert, stellt MANTIS das KI-basierte Kamerasystem und die Benutzeroberfläche bereit. Die Erfahrungen zeigen, dass das System pro Tag bis zu zehn Mal eingreift: 56 Prozent mit Verlangsamungen, 44 Prozent mit Nothalt.

Normen: Katalysator oder Hürde?

Die Normenarbeit für Seilbahnen nahm anschließend Marco Zgraggen von SISAG in den Blick. Der Nutzen von Normen sei unbestritten, aber sind sie eher ein Katalysator oder eine Hürde für Innovationen?

Das habe die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) – bestehend aus Herstellern, Betreibern und Behörden – in der Hand. Sie könne als Spiegelgruppe zum Europäischen Komitee für Normung den kontinental und international gültigen Normen ihren Stempel aufdrücken. Dazu müssten jedoch Verwaltungsaufwand und Zeitbedarf sowie Cyber Security und Risikoanalysen bewältigt werden.

„Denken Sie AURO größer: Wo im Skigebiet ist ein autonomer Betrieb von Seilbahnen sinnvoll und möglich?“ – Marcel Nussbaumer

„Mit AURO reduziert sich der Personalbedarf einer Sesselbahn von drei auf 1,5 Mitarbeiter.“ – Carl Biagosch (MANTIS)

„Die Pflege der Normen ist aufwendig, aber gut organisiert in der Schweiz.“ – Marco Zgraggen (SISAG).

Lehrlinge mit Handlungskompetenzen

Um die praxisorientierte Ausbildung von Lehrlingen warb Michael Nydegger vom Ausbildungszentrum Seilbahnen Schweiz in Meiringen. Demnach werden verstärkt Handlungskompetenzen geschult:

Nur noch ein Drittel von Unterricht und Prüfungen sind Wissensfragen, der Rest authentische, realistische und praxisnahe Fallbeispiele und Aufgaben. Betriebe sollten daher Lernende vermehrt zusammenhängende Fragen stellen, kleinere Projekte umsetzen lassen und vernetztes Denken fördern.

Mit diesem Auftrag gingen die Teilnehmer anschließend in den Netzwerk-abend, der unter anderem ein Flying Dinner im Kurhaus Lenzerheide umfasste.

Flying Dinner

Der Tagungsabend im Kurhaus Lenzerheide wurde nicht wie üblich als klassisches Dinner veranstaltet, sondern als Flying Dinner. Diese Idee kam gut an.

Rodelbahnen und Ziplines

Den zweiten Tag eröffnete Andrea Müller, Geschäftsführer der Pradaschier AG Top. Er referierte über den effizienten Betrieb und den nachhaltigen Unterhalt von Rodelbahnen und Ziplines. Hier spielen die vier Faktoren Ressourcenmanagement, Besucherlenkung, Personalmanagement und Instandhaltung eine Rolle.

Beide Attraktionen bilden eine stabile Einnahmequelle, die Seilbahn wird ganzjährig mehrfach genutzt. Dabei müssen Besucher gelenkt werden und Mitarbeiter in allen Bereichen geschult werden, um flexibel zu bleiben. Während bei der Rodelbahn die Wartung das Team herausfordert, ist die Zipline wiederum extrem personalintensiv.

Biketrails bauen und betreiben

Erfolgsfaktoren und Praxiserfahrungen aus der Biketrailentwicklung erfuhren die Teilnehmer von Domenico Bergamin. Der Experte erläuterte die wichtigsten Begriffe, Kategorien sowie Zielgruppen und informierte über die richtige Beschilderung.

Besonders spannend – seine Richtwerte zu Projektdauer, Bauzeit und Unterhaltskosten von Biketrails: Im Schnitt dauert ein Trailprojekt zwischen ein und zwei Jahre. Die Baukosten liegen zwischen 50 und 120 Franken pro Laufmeter, die Instandsetzung zwischen 40 und 80 und der Unterhalt zwischen zwei undzehn. Bergamin mahnte die Bergbahner eindringlich, sich bei Planung und Bau von Profis beraten und unterstützen zu lassen.

„Nutzen Sie digitale Apps, um Besucher zu lenken und Wartezeiten zu minimieren.“ –Andrea Müller (Erlebnisberg Pradaschier)

„Biken wird oft als Extremsportart beworben. Das macht den Menschen Angst. Kommunizieren sie diverser!“ – Domenico Bergamin

„Die Verkehrssicherungspflicht im Sommer gilt nur für Attraktionen und nicht für das ganze Gebiet.“ – Romano Pajarola

Den Sommer sichern

Den Schlusspunkt setzte der Verantwortliche der Beratungsstelle Sicherheit bei Seilbahnen Schweiz, Romano Pajarola. Er erläuterte die Verkehrssicherungspflicht von Bergbahnen bei Sommeraktivitäten. Mehr dazu lesen Sie im REDGuide 2/2024, der Bezahlabonnenten der nächsten Printausgabe beigelegt ist – und bald online auf SI-Plus.

Den Abschluss der VTK 2024 in Lenzerheide bildeten zwei Exkursionen – eine zum Bikepark und die andere zur Zipline des Erlebnisbergs Pradaschier. Das Ziel: Weitblick bewahren!

Christoph Heimgartner von INFOSOFT informierte über digitale Zeiterfassung und Personaleinsatzplanung am Berg.

Patrick Schönmann (rechts) hat gut lachen, sein Stand war gut besucht.

Stießen an auf die VTK der Rekorde (von links): Eldin Bajramovic, Muriel Mansier und Santiago-Manuel Alonos von KLÜBER Schweiz.