Verletzungsrisiko in Snowparks

Die Reibung von Freestyle-Ski und -Snowboards auf Schnee beeinflusst die Geschwindigkeit des Anfahrens von großen Sprüngen im Slopestyle und Big Air maßgeblich. SLF-Forschende haben experimentell ein Modell entwickelt, das diese Reibung anhand der physikalischen Größen des Schnees vorhersagen kann.

Um einen Slopestyle-Park mit verschiedenen Elementen wie Schanzen, Rails und Boxen etc. zu bauen, braucht es sehr viel Erfahrung und Know-how. Die Geometrie der Sprünge ist komplex.

Mit einem gut gestalteten Sprung wird das Verletzungsrisiko reduziert. Entscheidend dabei ist, dass die steile Landezone, die sogenannte Sweetspot-Zone, möglichst lang ist und dem Verlauf der Flugkurve folgt.

Dadurch haben Athleten einen gewissen Spielraum und können auch etwas weitere oder kürzere Sprünge ohne allzu großen Aufprall landen.

Falls der Athlet oder die Athletin zu weit oder zu kurz springen, riskieren sie schwere Verletzungen. Damit ein Sprung schön ausgeführt und die Landung in der Landezone erfolgen kann, bedarf es einer genügend langen Anlaufzone bzw. einer optimalen Geschwindigkeit beim Sprung.

Zahlreiche Faktoren

Diese Geschwindigkeit ist von vielen Parametern abhängig unter anderem von dem Reibungskoeffizienten des Schnees während der Fahrt. Weitere Kräfte, wie die aerodynamischen Kräfte und die Gravitationskraft wirken ebenfalls.

«Man weiss, dass die Reibung sehr stark von der Schneebeschaffenheit abhängt. Bis jetzt gibt es keine guten Modelle, welche diese Reibung bei gegebenen Schneeverhältnissen vorhersagen können. Um diese Lücke zu schliessen, haben wir angewandte Versuche durchgeführt,» so der Studienleiter Fabian Wolfsperger, Mitarbeiter der Forschungsgruppe Wintersport und Klima am SLF.

In dieser Arbeit werden zum ersten Mal kinematische Daten von Athleten und umfassende Messungen der Schneeoberfläche kombiniert, um den Reibungskoeffizienten von Freestyle-Skiern und Snowboards bei einer Vielzahl von Schneebedingungen zu bestimmen.

Teststrecken im Skigebiet Davos

beim Weissfluhjoch (a) und auf Bolgen (b) mit einem Skifahrer und einem Snowboarder in der definierten Anlaufhaltung.

Testläufe auf zwei verschiedenen Strecken

Um die Reibung von Freestyle-Ski und -Snowboards auf unterschiedlichen Schneeverhältnissen zu ermitteln, hat Wolfsperger auf zwei Teststrecken im Skigebiet Davos während zwei Wintern insgesamt über 200 Testfahrten analysiert.

Die Testfahrten sind mit Freestyle-Ski und ‑Snowboards bei verschiedenen Schneebedingungen durchgeführt worden. An 13 Testtagen bei jeweils unterschiedlichem Wetter fuhr dabei jeweils ein Snowboarder bzw. Skifahrer in Anlaufposition die Teststrecke runter.

Die Geschwindigkeitsverläufe der Fahrten wurden mit präzisen GPS-Messungen erfasst und analysiert. Gleichzeitig untersuchten die Forscher den Schnee, die Schneebeschaffenheit, die Form und Größe der Schneekörner, die Schneetemperatur und die Schneefeuchte und konnten diese Daten in Relation zur Geschwindigkeit der Fahrer setzen.

Unter Einbezug von aerodynamischen Messungen der Testathleten im Windkanal konnten schließlich der Verlauf des Reibungskoeffizienten zwischen Schnee und Ski für jede einzelne Fahrt bestimmt werden.

So gelang erstmals ein Verknüpfen von physikalischen Schneeparametern mit der Reibung. Es konnte also aufgezeigt werden, welcher Schnee bei welchem Wetter wie stark bremst.

Freikörperdiagramm

zur Veranschaulichung der Kräfte, die auf einen Athleten während eines Testlaufs wirken. FF ist die Reibungskraft.

Einfache Methoden

Mit den Versuchen konnte gezeigt werden, dass die Schneebeschaffenheit den größten Einfluss auf die Reibung hat und wie groß diese Reibung bei verschiedenen Schneeverhältnissen auf Freestyle-Ski und
-Snowboards ist.

Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studie und dem vorgelegten Datensatz kann nun die Reibung aus den vorherrschenden physikalischen Eigenschaften des Schnees vorhergesagt werden.

Beispielsweise hat feuchter Neuschnee einen relativ hohen Reibungs­koeffizienten, rund dreimal höher als trockener, gefrorener Frühlingsschnee.

Aus der erstmaligen Kombination von kinematischen Daten von Athleten und umfassenden Messungen der Schneeoberfläche wurde ein Tool für die Vorhersage der Reibung von Freestyle-Ski und -Snowboards auf Schnee für Parkbauer und Wettkampforganisatoren entwickelt.

Ein Slopestyle-Park

besteht aus einer Abfolge von diversen Elementen, wie unterschiedlich große Kicker, Boxen und Rails.

Praktiker können Schneereibung bestimmen

«Unsere Ergebnisse bieten ein neues quantitatives Werkzeug für Praktiker zur Vorhersage der Reibung von Skiern und Snowboards auf Schnee unter verschiedenen Bedingungen, was die Sicherheit der Athletinnen und Athleten beim Slopestyle und Big Air erhöhen soll,» so Studienleiter Wolfsperger.

Als Alternative zur Berechnung der Reibung aus physikalischen Schneeparametern, die den Einsatz von Schneemessgeräten erfordern, können Praktiker die Schneereibung auf einer präparierten Piste auch grob mit einem Thermometer und einer visuellen Charakterisierung des Schnees abschätzen.

Damit können sie die vorherrschende Schneekategorie, und somit die Reibung, bestimmen, sofern sie noch das Wetter der letzten und der kommenden 24 Stunden berücksichtigen.

In der Studie wurde auch aufgezeigt, dass sich die Schneereibung nicht nur von Tag zu Tag, sondern auch innerhalb von Stunden ändern kann. Für olympische Freestyle-Disziplinen wie Slopestyle oder Big Air ist es wichtig, diese Variabilität zu verstehen.

Es soll Veranstaltern helfen, den Zeitpunkt des Wettkampfs fest zu legen.

Auch können sie sich die Frage stellen, ob es bei gewissen Bedingungen wie z.B. steigenden Temperaturen sinnvoll sein könnte, den Wettkampf zu unterbrechen und ihn später am Tag bei kühleren Temperaturen und beim Wiederkaltwerden des Schnees fortzusetzen um einen möglichst sicheren und fairen Wettkampf zu gewährleisten.