Salzmann: Generalrevision von Seilbahnen

Zahlreiche Betreiber sind nun unter Zugzwang. Am 1. November 2024 wird in Österreich eine neue Richtlinie zur Generalrevision von Seilbahnen in Kraft treten. Mehr als 100 Anlagen müssen dann saniert oder neu gebaut werden. Was kommt auf die Branche zu und welche Alternativen gibt es? Seilbahnplaner Stephan Salzmann antwortet.

SI Magazin: Herr Salzmann, warum ist die Generalrevision von Seilbahnen in Österreich aktuell ein heißes Thema?

Stephan Salzmann: Jede Seilbahn erhält eine Konzession, deren Laufzeit in der Vergangenheit sehr unterschiedlich war. Mittlerweile werden zumeist 50 Jahre gewährt. Bisher konnte der Betreiber diese Konzession um 50 Prozent der Laufzeit verlängern, wenn er den Stand der Technik von vor 2003 nachweisen konnte.

Mit der Novelle des Seilbahngesetzes wurde nun die Konzession generell vom technischen Stand getrennt. Jetzt muss nach 40 Jahren eine Generalrevision erfolgen, bei wieder aufgestellten Anlagen nach 30 Jahren.

Die zugehörige Verordnung SeilGV wurde mittlerweile verlautbart und tritt ab 01. November 2024 in Kraft. Damit ist klar, dass ab 2027 die ersten Anlagen einer Generalrevision unterzogen werden müssen.

Wie ist die Situation in den anderen deutschsprachigen Alpenländern?

In Italien gelten schon länger fixe Fristen, in der Schweiz hat jede Baugruppe eine maximale Lebensdauer, wobei vor Ablauf der Frist mit einem Gutachten die Funktionstüchtigkeit nachgewiesen werden muss.

In Deutschland haben Seilbahnen kein Ablaufdatum, sofern eine unabhängige Stelle die technische Funktionstüchtigkeit und Sicherheit bescheinigt. In Österreich kommt jetzt eben die Generalrevision nach 40 Jahren, was nun alle Anlagen gleichstellt.

Bisher war der Zeitpunkt der Konzessionsverlängerung aufgrund der ungleichen Laufzeiten sehr unterschiedlich.

Retrofit:

Arbeiten an der Seilscheibenlagerung im Zuge des Retrofit.

Sie haben bereits mehrjährige Erfahrung mit Konzessionsverlängerungen. Wie sollten Betreiber bei dem Thema vorgehen?

Zunächst sollten die Betreiber klären, ob die Anlage überhaupt noch die Anforderungen an sie erfüllt – idealerweise im Rahmen eines Masterplans:

  • Stimmt der Standort der Bahn überhaupt noch?
  • Ist ein Weiterbetrieb sinnvoll oder überhaupt notwendig?
  • Inwieweit sind Komfort und Förderleistung noch ausreichend?

In weiterer Folge sollten Betreiber klären, was eine Generalrevision kosten würde und diese in Anbetracht des Aufwands überhaupt sinnvoll wäre. Oder ob ein Neu- oder gar Rückbau die bessere Alternative wäre.

Wie finden Betreiber das heraus?

Sofern wir von einer Bergbahn ein Beratungsmandat erhalten, besichtigen wir die Anlage und prüfen den technischen Zustand augenscheinlich und anhand der Ergebnisse der wiederkehrenden Prüfungen.

Anschließend prognostizieren wir, welche Ersatz-Investitionen in den nächsten 10, 20, 40 Jahren anfallen würden, sowohl im Bereich der Seilbahntechnik etwa beim Seil, in der Elektrik und den Fahrzeugen, als auch im Bereich der Tragwerke oder Gebäude.

Diese Untersuchung ist eine Teamarbeit, die wir mit Gutachtern und den After-Sales-Abteilungen der Hersteller erarbeiten. Die Betreiber erhalten anschließend eine Aufstellung in mehreren Szenarien mit den angenommenen Maßnahmen und deren erwartbaren Kosten.

Silvretta Montafon:

Ein gutes Beispiel für eine Wiederaufstellung ist die 6er-Sesselbahn Jöchle.

Gibt es hier Richtwerte?

Nein, der Umfang und die Kosten einer Generalrevision sind situationsabhängig. Oft ergibt sich ein Rattenschwanz aus notwendigen Maßnahmen. So müssen beispielsweise Sessel mit seitlichen Schließbügeln gegen solche mit Überkopfbügel getauscht werden, was oft zu Umbauten oder Neubauten bei den Streckenbauwerken führt.

Oder die Schaltschränke der neuen Steuerung passen nicht in die alten Diensträume, was einen Umbau der Station erfordert. Generell sind der Brandschutz und die Arbeitssicherheit häufige Themen:

Fehlende Brandabschnitte, brennbare Materialien im Verkehrsbereich, Verkehrswege ohne Barrierefreiheit oder nicht vorhandene bzw. nicht abgesicherte Podeste führen oft zu größeren Umbauten mit erheblichem Investitionsbedarf.

Wovon hängt der Umfang einer Generalrevision noch ab?

Ganz generell von den Ergebnissen der Gutachten, die die Einhaltung des Standes der Technik beurteilen. Wenn zum Beispiel die Fundamentstatik nicht dem Stand der Normen von vor 2003 entspricht, wird die Generalrevision jedenfalls kritisch.

Was genau zu erfüllen sein wird, hängt von der noch fehlenden Richtlinie zur Verordnung SeilGV ab. Diese Richtlinie wird die praktische Umsetzung der Verordnung regeln.

Kommandoraum in der Antriebsstation:

So kann ein Arbeitsplatz nach dem Retrofit aussehen.

Gibt es neben Neubau oder Retrofit noch eine weitere Alternative?

Ich beobachte einen regelrechten Boom des Gebrauchtanlagenmarktes: Früher wurden alte Seilbahnen nahezu zum Nulltarif verkauft, mittlerweile befinden wir uns in einem Bieterprozess.

Ich mahne hier aber zur Vorsicht: Die alte Anlage muss die Situation am neuen Ort bewältigen können. Darüber hinaus kommen zum Kaufpreis noch Kosten für Demontage, Montage und generell die Baukosten hinzu, ebenso das Kontrollieren und Anpassen der Komponenten durch den Hersteller.

Oft ist die Preisersparnis dann gar nicht mehr so groß, für rund zwei Drittel des Ursprungspreises erhalte ich teilweise weniger als die Hälfte der Lebensdauer!

Warum sollten Betreiber auf externe Seilbahnplaner – wie Sie – setzen?

Die Generalrevision ist eine Teamarbeit aus Betreibern, Zulieferern, Gutachtern und sonstigen Fachleuten, etwa Statikern. Hier ist eine Koordinierung essentiell. Zudem gilt es, aktuelle Pläne von Hochbauten zu erstellen.

Weiters sind in der Regel Längenschnitt und Seilrechnung neu anzufertigen. Oft sind die Lieferanten alter Anlagen aber gar nicht mehr existent und bestehende Hersteller können gewisse Berechnungen nicht selbst durchführen.

Als externe Planer arbeiten wir dagegen mit einer unabhängigen Software und können alte Berechnungen rekonstruieren. Zudem beschäftigen wir uns seit mehr als sechs Jahren mit Konzessionsverfahren und haben zum Thema, zu den Behörden und zu den weiteren Akteuren einen guten Zugang.

Wen wird die Generalrevision wann treffen?

Nachdem die Verordnung am 01.11.2024 in Kraft tritt, müssen alle Anlagen, die vor dem 31.12.1971 erstmals betriebsbewilligt wurden, die Generalrevision samt Umbauten innert drei Jahren, also bis 01.11.2027 abgeschlossen haben.

Die Unterlagen zur Generalrevision sind spätestens ein Jahr vor Ablauf der Frist einzureichen. Betreiber dieser Anlagen sind also gut beraten, umgehend mit den Vorbereitungen zu beginnen! Für spätere Anlagen bis 1990 gibt es eine Einschleifregelung bis 2031.