Seilbahn & Technik, SI 6/2024
Doppelmayr Gruppe: Auro erobert den Alpenraum
AURO Seilbahnen der DOPPELMAYR Gruppe funktionieren ohne Stationsbedienstete. Ausgestattet mit modernster und vernetzter Technik bringen sie Fahrgäste sicher und zuverlässig an ihr Ziel. Und das immer öfter, denn das System erobert derzeit den Alpenraum – ob als neue Bahn oder als umgerüstete Bestandsanlage (siehe Infobox).
Das System
Der Grund liegt im System von AURO: Kameras und Sensoren sorgen für einen reibungslosen Ablauf und überwachen die Anlage – insbesondere beim Ein- und Ausstieg. Ein Seilbahnbediensteter hat die Seilbahn im Kontrollzentrum, dem Ropeway Operation Center (ROC), stets im Blick, sollte es zu einer Fehlermeldung kommen.
Das AURO Betriebskonzept ist dabei mit einem ROC auf mehrere Anlagen erweiterbar. Die Synergie von Mensch und Technik sorgt durch schnelle Reaktion und Beheben von Abschaltungen für eine hohe Verfügbarkeit der Seilbahn.
Neue AURO-Anlagen 2024/25
AURO für Sesselbahnen (CLD)
• 4-CLD/B Marguns – Plateau Noir (Umbau)
• 6-CLD Gant – Blauherd (Umbau)
• 6-CLD/B Lumberjack (Umbau)
• 6-CLD/B Breiteckbahn (Umbau)
• 6-CLD/B Tanzböden (Umbau)
• 6-CLD/B Tröglbahn (Neuanlage)
AURO für Einseilumlaufbahnen (MGD)
• 10-MGD Deux Lacs (Neuanlage) AURO für Pendelbahnen (ATW)
• 15-ATW Schattdorf-Haldi (Umbau)
• 85-ATW Stechelberg-Mürren (Neuanlage)
AURO für Standseilbahnen (FUL)
• 120-FUL Wabern-Gurten (Umbau)
AURO für Standseilbahnen
Der autonome Betrieb ist für die DOPPELMAYR-Gruppe eigentlich nichts neues. Bei den Standseilbahnen kann vor allem deren Firma GARAVENTA auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich automatisiertem Seilbahnbetrieb zurückgreifen.
AURO für Kabinenbahnen
Der nächste Schritt war AURO für Kabinenbahnen. Der Einstieg ist komfortabler durch zusätzliche Kabinenstabilisierung und angepasste Trittbrettgeometrie. Mittlerweile kommt das System einerseits bei Einseilumlaufbahnen zum Einsatz, etwa bei den Anlagen Kumme, Valisera, Morgins-La Foilleuse, Kieserl und Komperdell.
Andererseits wenden auch Betreiber von Pendelbahnen AURO an, dank GARAVENTA zum Beispiel bei den Anlage Zermatt-Furi und ab Winter 2024 in Stechelberg-Mürren.
Zermatt-Furi
Ein Beispiel für AURO bei Pendelbahnen.
AURO für Sesselbahnen
Der nächste Evolutionsschritt ist AURO für Sesselbahnen (CLD). Das System ermöglicht den Fahrgastbetrieb ohne Personal in der Bergstation. Die KI-gestützte Bildverarbeitung analysiert dazu Bild- und Videodaten in Echtzeit, bewertet diese und leitet davon automatische Handlungen ab.
Kameras aus verschiedenen Blickwinkeln geben eine gute Übersicht, das System selbst wird nie müde oder unaufmerksam und reagiert rasch auf Gefahrensituationen. Das erhöht Sicherheit und Verfügbarkeit der Anlage.
Wie bei Kabinenbahnen ist AURO auch bei Sesselbahnen in die Seilbahnsteuerung Connect integriert, zudem können Steuerungen von Fremdherstellern oder ältere Steuerungsgenerationen von DOPPELMAYR-Sesselbahnen eingebunden werden.
Generell können verschiedene Seilbahnsysteme gleichzeitig in einem gemeinsamen Ropeway Operation Center (ROC) betrieben werden. Insbesondere für Skigebiete ergibt sich so die Möglichkeit, Personal gezielt einzusetzen, ohne Kompromisse bei Sicherheit und Förderleistung einzugehen.
So können Personalmangel-Effekte abgefedert und Personalkosten um bis zu 35 Prozent gesenkt werden.
Die Komponenten von AURO CLD
Für die intelligente Bilderkennung setzt DOPPELMAYR auf die Expertise von Mantis Ropeway Technologies. Während der Seilbahnhersteller bei Sesselbahnen die Ausstiegsbegrenzung, die Bodendruckmatten und die Notfallsäulen liefert, stellt die Firma MANTIS die KI-basierte intelligente Bilderkennung und die Benutzeroberfläche bereit.
Dessen Co-Founder Carl Biagosch präsentierte zusammen mit Marcel Nussbaumer, Leiter Marketing & Verkauf bei GARAVENTA die jüngsten Erfahrungen mit dem autonomen Betrieb von Sesselbahnen auf der Tagung der Schweizer Betriebsleiter (VTK) in Lenzerheide – am Beispiel der 6er-Sesselbahn Freienalp und der 8er-Sesselbahn Silvrettabahn.
Das intelligente Kamerasystem erkennt demnach die Gefahren im Ausstiegsbereich sehr zufriedenstellend; ebenso die Bodendruckmatten, welche Personen, die zu früh aussteigen, erfassen und sich selbst dann ausstellen. Sicherheitsschranken sichern verlässlich den schnellfahrenden Bereich.
Über die Benutzeroberfläche hat das Personal die Bergstation gut im Blick und sieht automatische Abschaltungen.
Erfahrungen aus der Praxis
Im Schnitt griff das System neun bis zehnmal am Tag ein, zu 56 Prozent reduzierte AURO die Fahrgeschwindigkeit, zu 44 Prozent leitete es einen Nothalt ein. Dominante Faktoren dafür waren die Erfahrung der Gäste (Skischule etc.) und die Präparation der Ausstiegsstelle.
Die Betriebserfahrung der Seilbahntechnik zeigt zudem 18 mechanische Auslösungen pro Saison, sowie zwei bis sechs Nothalte pro Saison durch Bedienfehler. „Wir stellten fest, dass es einmal täglich ausreicht, die Trittmatten vom Schnee zu befreien“, so Nussbaumer.
Einfluss auf die Personalplanung
Generell macht AURO den Einsatz von Mitarbeitern flexibler. So kann eine Person für mehrere AURO-Stationen zuständig sein, eine andere hat wiederum Zeit für andere Tätigkeiten, wie Wartung, Dokumentation etc.
„Mit AURO kann der Personalbedarf einer Sesselbahn im Mittel von drei auf 1,5 Mitarbeiter sinken“, so Biagosch. Zudem reduziert sich der Aufwand für saisonale Mitarbeiterschulung, sowie die administrativen Mühen der Mitarbeitersuche. Auch die Situation der Mitarbeiterunterkünfte kann sich entspannen.
Status Quo und Ausblick
„AURO liegt tatsächlich ein KI-Modell zugrunde, das aus Millionen von Ausstiegsvorgängen gelernt hat, und kontinuierlich mit Daten aus dem Betrieb gewiesen und weiterentwickelt wird“, betont Biagosch.
Je mehr Anlagen mit AURO fahren, desto besser wird die Software für alle. Aktuell ist AURO für Sesselbahnen mit der Steuerung Connect kompatibel, hinzu kommen Siemens (Frey Austria), SisPac und PSS4000/PSS3000 auf Anfrage. Ob 90-Grad oder gerade: jede Ausstiegsrichtung ist möglich.
Stand heute ist AURO bei Sesselbahnen für die Bergförderung und im Winter einsetzbar, die Talförderung und der Sommerbetrieb sind noch bis 2025 in Ausarbeitung. Nussbaumer hat deshalb ein Anliegen an alle Seilbahnbetreiber:
„Denken Sie AURO größer: Wo in ihrem Skigebiet ist ein autonomer Betrieb von Seilbahnen sinnvoll und möglich?“