SI Urban 1/2020, Stadt
Der ganze Blick
Urbane Seilbahnprojekte scheitern oft an der gesellschaftlichen Akzeptanz. Mangelndes Wissen und ein fehlendens Anforderungsprofil sind Gründe dafür. Deshalb ließ SALZMANN, das etablierte österreichische Planungsbüro für Seilbahnen, Grundlagenforschung betreiben – mit spannenden Ergebnissen und einem ganzheitlichen Blick auf urbane Seilbahnen als Teil von Mobilitätslandschaften.
Konkret hat der ehemalige SALZMANN-Werkstudent Loris Rau anhand von realen Seilbahnprojekten eine Mustervorlage ausgearbeitet, mit der Bürgermeister und Städteplaner noch vor einer Machbarkeitstudie prüfen können, ob ihre Seilbahn-Idee Sinn macht.
Grundsätzlich müssen die Nutzungsart (urban, urban-touristisch, touristisch) und der Einsatzzweck (Verbinden, Verlängern, Entlasten ect.) geklärt werden. Herzstück des Anforderungsprofils ist dann ein ganzheitlicher Blick auf sieben große Bereiche, mit denen der verkehrliche, gesellschaftliche und finanzielle Nutzen von Mobilitätslösungen verglichen und nachgewiesen werden kann.
Loris Rau, Autor des Anforderungsprofils für die urbane Seilbahn
„Das Betroffenen- und Öffentlichkeitsmanagement bei urbanen Seilbahnprojekten ist hoch sensibel, unausgereift und kann Seilbahnprojekte bereits in der Anfangsphase verhindern. Zunächst sollte ein Anforderungsprofil mit Variantenstudium bei einem Seilbahnplaner wie SALZMANN beauftragt werden.
Anschließend sollten betroffene Anrainer so früh wie möglich eingebunden werden, sowie das öffentliche Interesse anhand einer Bürgerbeteiligung geweckt werden. Erst dann kommt es zu einer Machbarkeitsstudie.“
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Der erste Bereich – die gesetzlichen Rahmenbedingungen – unterscheiden sich von Standort zu Standort. Während es in einigen Ländern Seilbahnen gar nicht abgebildet werden, werden sie in anderen in die Gesetze des ÖPNV ein- oder ausgeschlossen bzw. weder noch.
Je nach Gesetzeslage sehen Genehmigung und Finanzierung urbaner Seilbahnen anders aus. Hinzu kommen unterschiedliche Vorschriften für Brandschutz, Sicherheitsabstände, Bergung usw.
Geographie und Ökologie (Implementierung)
Die Ökologie spielt im alpinen wie urbane Raum eine wichtige Rolle. Jedoch hier mit anderem Fokus – dem Mensch. Topografisch gesehen ist das urbane Gebiet meist weniger herausfordernd. Vielmehr gilt es städtebauliche Hindernisse, Freileitungen oder Gewässer bei der Trassenwahl in der Stadt zu berücksichtigen.
Städtebau
Welche Ebene und welche Flächen eignen sich für die urbane Seilbahn? Eine nicht einfach zu beantwortende Frage, gilt der Raum in der Stadt ja oft als sehr begrenzt. Hier gilt es, die Seilbahn in die bestehende Mobilitäts- landschaft (Rad-, Fuß, Straßen- und andere Verkehrswege) zu integrieren.
Auch die Einbeziehung von Infrastruktur (etwa Einkaufsmöglichkeiten) und eine gut überlegte Architektur von Seilbahnstützen und Stationen fallen in diesen Bereich.
„Seilbahnstationen können der Stadtentwicklung dienen, indem sie als neue Hubs konzipiert werden“, sagt Rau. Daher fallen in den Städtebau auch die betroffenen Anwohner, mit denen Bürgermeister, Städteplaner und Verkehrsexperten über Themen, wie Lärm, Emissionen oder Privatsphäre sprechen müssen.
Leistungsfähigkeit
Bei dieser „klassischen Disziplin“ der Seilbahnplanung werden unter anderem die Förderleistung, die Skalierbarkeit (Garagierung in Stoß- und Randzeiten), die Taktzeit und die Energieversorgung berechnet. „Oft wird eine Seilbahn-Idee nur auf diese technischen Bereiche hin untersucht. Was definitiv zu kurzsichtig ist“, sagt Rau. Trotzdem bleibt die Leistungsfähigkeit einer urbanen Seilbahn ein wichtiger Punkt, insbesondere was die Erweiterbarkeit und die Unabhängigkeit des Verkehrssystems anbelangt. „Hier zeigt sich, dass sich das Anforderungsprofil auch auf andere Verkehrsmittel anwenden lässt und im Gesamtkontext des Mobilitätskonzepts beurteilt werden muss. Wir fixieren uns nicht von vornherein auf Seilbahnen, denn das würde die Erfasswung von Anforderungen begrenzen“, so Rau.
Wirtschaftlichkeit
Was sollte das geplante Verkehrsmittel kosten? Im Anforderungsprofil wird der Rahmen für Investitions- und Betriebskosten gesetzt. Die Kosten dienen als Anhaltspunkt und dürfen nicht als zwingende Anforderung gesehen werden. Sonst würden sie den Zweck der gesellschaftlich-nutzenorientierten Planung beeinflussen.
Integration im ÖPNV
Die tarifliche und physische Integration der Seilbahn in den öffentlichen Nahverkehr ist eine essentielle Anforderung. „Hier geht es nicht nur um Intermodularität und technische Schnittstellen, wie gemeinsame Stationen von Bahn und Bus, sondern auch um verzahnte Tarif- und Fahrpläne und eine gemeinsame digitale Infrastruktur“, betont Rau.
Ein Beispiel wäre eine App (etwa Moovel), mit der alle Mobilitätsangebote gebucht werden können und die somit ein intermodulares Fahrgastmanagement ermöglicht.
Mobilitätsbedürfnisse
Fans einer urbanen Seilbahnen dürfen nicht zuletzt vergessen, dass der Fahrgast nicht nur einfach von A nach B, sondern ein optimales Transporterlebnis will. Barrierefreiheit, Sicherheit, Komfort, smarte Funktionalität und Design der Seilbahn spielen eine große Rolle. Insgesamt gibt es 60 Mobilitätsbedürfnisse, die anhand der Maslowschen Pyramide aufgestellt wurden.
Fazit
Das neue Anforderungsprofil von SALZMANN ist eine umfassende Vorlage, um Seilbahn-Ideen noch vor der Machbarkeitstudie sinnvoll und er- schöpfend zu prüfen. Die österreichischen Planer und Ingeneure stehen hier gerne zur Verfügung.
Kontakt und Infos unter www.salzmann-ing.at