SI Urban 1/2020, Stadt
Hoch hinaus – oder doch nicht?
Warum bleiben so viele Seilbahnprojekte eigentlich am Boden? – Maike Puhe und Ihr Kollege Max Reichenbach sind in ihrer Studie „Hoch hinaus – Über die Machbar- keit, Chancen und Hemmnisse urbaner Luftseilbahnen in Baden-Württemberg“ dieser Frage nachgegangen.
Am Rhein spricht man von dem Rheinpendel und auch in Berlin werden derzeit mehrere Seilbahnprojekte diskutiert, aber eine voll in den öffentlichen Verkehr integrierte Seilbahn gibt es in Deutschland derzeit noch nicht. Auch Maike Puhe und ihrem Kollegen Max Reichenbach ist hier ein Trend aufgefallen.
„Wir haben immer wieder gesehen wie Ideen zu urbanen Seilbahnprojekten aufkommen und dann gleich wieder in der Versenkung verschwinden. In unserer Studie haben wir uns die Hintergründe für diese Entwicklung genauer angesehen“, erzählt die Diplom-Geografin.
Ein Grund für diese negative Bilanz ist die schnelle Einbringung der Idee. Ohne weitere Analysen werden Seilbahnprojekte vorgeschlagen, dies geschieht meist von Einzelpersonen ohne Absprache mit Verkehrsexperten.
Aufgrund der häufig nicht ausreichenden Vorplanung, stoßen solche Projekte dann schnell an ihre Grenzen, was Seilbahnkritikern Argumente zur Unumsetzbarkeit solcher urbanen Anlagen gibt.
Maike Puhe
Diplomierte Geografin und seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAS in Karlsruhe (Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse). Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich Mobilitätsforschung, wozu sie bereits mehrere Studien publiziert hat, unter anderem auch gemeinsam mit ihrem Kollegen Max Reichenbach die Studie „Hoch hinaus – Über die Machbarkeit, Chancen und Hemmnisse urbaner Luftseilbahnen in Baden-Württemberg“.
In Deutschland gibt es bisher einige Seilbahnprojekte, wobei die Frage bleibt, ob es sich hierbei wirklich um ein öffentliches Verkehrsmittel im traditionellen Sinn des Wortes handelt. Puhe gibt zu bedenken: „Gerade in der Bevölkerung wird darauf geachtet, ob es als tägliches Transportmittel auf dem Weg zur Arbeit und Schule eingesetzt wird.
Das bekannte Beispiel der Koblenzer Seilbahn ist für die Pendlerbewegung nicht relevant, sondern dient als Punkt zu Punkt Verbindung für Touristen, als Erweiterung zum öffentlichen Verkehrsangebot wird es also von vielen nicht gesehen.“
Image
Eine Seilbahn ist im Betrieb sehr umweltfreundlich, kann leicht mit Solarpanels ausgestattet werden und verfügt seit Jahren über einen Elektroantrieb. Diese Faktoren passen perfekt zur derzeitigen Entwicklung der Mobilität. Seilbahnen wurden so zu einer Möglichkeit das Image bei bestimmten Zielgruppen zu verbessern und Aufmerksamkeit zu generieren.
Mittlerweile weht der Wind aus einer anderen Richtung und man versucht Seilbahnen mit offenen Augen zu untersuchen und nicht als Imagefaktor. Da sich die derzeitigen Vorzeigeprojekte außerhalb von Europa befinden, fehlen jedoch häufig einfach die nötigen Daten für die planerische Abwicklung.
Der Himmel im Privatbesitz
Zwar punkten Seilbahnen durch einen geringen baulichen Aufwand, da sich lediglich die Stützen und Stationen am Boden befinden, doch die Trassenführung ist im städtischen Raum trotzdem nicht einfach umzusetzen. Im deutschen Recht gehört einer Person auch der Luftraum über dem Privatbesitz, weshalb vor dem Baubeginn viele Einzellösungen für die einzelnen, zu überfliegenden Grundstücke gefunden werden müsste.
In anderen Ländern wie etwa Bolivien erleichtert die Gesetzeslage den Bau eines solchen Transportmittels deutlich. Das ursprüngliche Konzept der urbanen Seilbahn für Köln wurde abgelehnt. Daraufhin führten Maike Puhe und Max Reichenbach ihre Studie durch.
Fotos: Pixel Enlargement 2012 für STRABAG Real Estate Doch nicht nur bei der Planung der Trassenführung ist die Rechtslage schwierig, bereits im Planungsprozess hat es die Seilbahn als urbaner Neueinsteiger nicht ganz leicht.
Eines der größten Hemmnisse besteht in der standardisierten Bewertung. In diesem Verfahren werden mögliche Transportsysteme auf ihre Umsetzbarkeit untersucht. Während für Busse, Straßenbahnen und Züge jegliche Kostenwerte über Jahrzehnte lang gesammelt wurden liegen solche Zahlen für die Aufstiegshilfen als urbanes Transportsystem noch nicht vor.
Seilbahnen haben über Jahrzehnte bewiesen, dass sie für den Einsatz als Tourismusattraktion gut geeignet sind, die Anforderungen an ein urbanes Verkehrsmittel sind jedoch andere weshalb eine Vergleichbarkeit der Systeme gegeben sein sollte.
Diese kann als Diskusionsbasis für die einzelnen Verkehrsysteme verwendet werden. Teil der vereinheitlichten Kosten-Nutzen- Analyse ist außerdem eine Simulation, während das Paternosterprinzip der Seilbahnen bei normalerem Kapazitätsaufwand leicht zu simulieren ist, fehlen die Erfahrungswerte um die Wartezeiten bei Spitzenzeiten, etwa wenn Fahrgäste einer vollen Straßenbahn weitertransportiert werden müssen, zu bewerten.
Dieses Henne-Ei Problem wird die Planer wohl noch eine Weile beschäftigen, denn all diese Daten wären leicht zu erheben, wenn eine solche Seilbahn in Deutschland gebaut werden würde, doch ohne die- se Daten ist die Einreichung der standardisierten Bewertung nicht möglich, welche Vorschrift für einen Zuschuss aus öffentlicher Hand ist.
Studienfazit
Damit eine urbane Seilbahn als Teil des öffentlichen Verkehrs in Deutschland gebaut werden kann, sieht die Studie einige nötige Schritte vor. „Das wichtigste wäre einmal ein Vorzeigeprojekt in Deutschland, aber davon abgesehen müssen Unsicherheiten in der Bevölkerung abgebaut werden.
Außerdem sollte bereits eine Analyse über die nötigen Anforderungen für ein Seilbahnprojekt vor der öffentlichen Kundmachung stattfinden. Im letzten Schritt müssten noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.
Derzeit verfügt jedes der 16 Bundesländer über eine mehr oder weniger individuelle Gesetzgebung bezüglich der Integrierung von Seilbahnen“, fasst Puhe die Studienergebnisse kurz zusammen.
Noch ist eine urbane Seilbahn ein schönes Anwendungsbeispiel für ein technisch voll ausgereiftes und erprobtes System, dass aufgrund von verschiedenen Hemmnissen den Siegeszug in urbanen Räume noch nicht vollständig geschafft hat, dies könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern. tm