SI Urban 2/2021, Stadt
Interview: Bauen im urbanen Raum
SI Urban: Was sind die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Mobilitätsprojekten im urbanen Raum?
Tanja Pichler: Vermutlich der mangelnde Platz und der Zeitdruck. In Städten bedeutet fast jedes Bauprojekt eine Belastung für die Einwohner. Durch Baustellen bedingte Verkehrsumleitungen oder Staus stellen für das urbane Leben wahrscheinlich die größte Herausforderung dar. Deshalb ist eine gute Planung entscheidend, um auf der Baustelle eine reibungsfreie und schnellstmögliche Abwicklung verwirklichen zu können.
Dank der großen und freizügigen Kuppel aus Stahl und Glas wirkt das Gebäude des People Movers in Venedig von innen und außen großzügig und offen. Foto: OskarDaRiz
Und wie löst man das Platzproblem?
Wir bei PICHLER PROJECTS haben uns auf die Fertigung von Stahlstrukturen und Fassaden spezialisiert. Das Besondere am Stahlbau ist, dass dieser über einen hohen Vorfertigungsgrad verfügt. Die benötigten Bauteile können also vorab bei uns im Werk produziert werden.
Auf der Baustelle entfallen dadurch viele zusätzliche Arbeitsschritte, die Platz benötigen würden. Dank einer guten Vorabplanung können wir just in time liefern und umgehend montieren. Das ist im urbanen Raum sehr viel wert.
Ist Stahl also das beste Material für den Städtebau?
Das hängt natürlich immer von den jeweiligen Anforderungen ab, aber der Stahlbau hat viele Vorteile, die man bei Projekten im urbanen Raum nutzen kann.
Welche Vorteile, außer dem hohen Vorfertigungsgrad, gibt es noch?
Stahl zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass er äußerst tragfähig ist und dennoch leicht und schlank wirkt. Demzufolge erscheinen Stahlbauten insgesamt transparenter. Da Überbauungen mit großen Spannweiten – also wenigen Unterstützungen – möglich sind, kann der in Städten begrenzt zur Verfügung stehende Raum besser genutzt werden.
So beispielsweise beim Überbauen von Straßen oder Kreuzungen, wodurch wiederum zusätzlicher Raum entsteht. Außerdem ist Stahl prädestiniert für das Bauen in die Höhe und in die Tiefe, was im Städtebau und bei immer knapper werdendem Baugrund immer wichtiger wird. Stahl ist auch ein nachhaltiges Material, weil es zeitlos und flexibel im Umbau ist. Zudem lässt es sich sehr leicht rückbauen und andernorts wieder aufbauen. Außerdem ist Stahl ein zu 100 % recycelbares Material.
Auch mit Seilbahnen versucht man einen noch ungenutzten Raum zu nutzen. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
In der Vergangenheit konnten wir bereits häufig am Bau von Seilbahnprojekten, auch im urbanen Raum, mitwirken. So etwa bei der Standseilbahn in Venedig. Da Besucher nicht direkt mit dem Auto in die Stadt reisen können, gibt es dort außerhalb des Stadtzentrums große Parkflächen und der „People Mover“ verbindet die Anlegeplätze für Wassertaxi und Kreuzfahrtschiffe.
Die Bahn ist nun schon seit zehn Jahren im Einsatz und funktioniert einwandfrei. Auch bei uns in Bozen gibt es schon seit langem Seilbahnen, die für den täglichen Pendelverkehr genutzt werden. Ich sehe keinen Grund, warum dieses System nicht auch in anderen Städten erfolgreich zum Einsatz kommen sollte.
PICHLER PROJECTS setzte viele Projekte im alpinen Raum um, hat aber auch schon viel Erfahrung im Bau von urbanen Projekten. Unterscheiden sich solche Projekte stark voneinander?
Jeder Ort hat natürlich seine Besonderheiten, aber die Grundidee ist schon sehr ähnlich. Bei urbanen Projekten herrscht immer ein Platzmangel, dies muss bereits in der Baustellenplanung berücksichtigt werden. Das bedingt auch, dass die Arbeitskräfte auf der Baustelle sehr gut geschult sein müssen, um mit dem beengten Platz auszukommen und ihn gemeinsam mit allen am Bau beteiligten Firmen effizient zu nutzen.
Alleine bei der Anlieferung der Bauteile müssen wir deshalb genau wissen, welche Route und welche Tag- oder Nachtzeit am idealsten ist, um den Verkehr nicht zusätzlich zu belasten. Hier ist während des gesamten Bauprojekts ein ordentliches Maß an außertourlicher Disziplin gefragt.
„Stahlbauten kann man sind leicht wieder abzubauen, sie können aber auch gut einfach erweitert werden. Sie können also mit sich ändernden Bedürfnissen der Bevölkerung mithalten.“
PICHLER PROJECTS fällt meist durch besonders spektakuläre Bauprojekte auf. Welche Rolle spielt denn die Architektur im urbanen Raum?
Eine sehr zentrale Rolle würde ich sagen. Obwohl die Optik eines Gebäudes etwas Subjektives ist, erhöht sich die Akzeptanz von Projekten, wenn sich mehr Menschen durch die Gebäudehülle angesprochen fühlen. Wenn ein Stationsgebäude außerdem mehrere Funktionen wie Supermarkt, Kino, öffentliche Ämter u.ä. vereint, ist der Bau nicht nur für Pendler, sondern auch für Bewohner in unmittelbarer Nähe nützlich. Das erhöht wiederum die Akzeptanz solcher Bauten. Das
Interview führte Tamara Mair