SI Urban 2/2020, Stadt
Masterplan urbane Seilbahn
Erst jetzt gibt es erste Fälle, in denen in Deutschland urbane Seilbahnen als normaler Bestandteil des ÖPNV diskutiert werden, wie z.B. in Wuppertal, Bonn, Köln, Siegen, Trier, Frankfurt, München und Stuttgart. In diesen Fällen geht es aber auch zunächst nur um ausgewählte Korridore mit besonderer Verkehrsproblematik. In Wuppertal sollte die Anbindung des Uni-Campus verbessert werden. Das Projekt scheiterte schließlich am Bürgerwiderstand im Rahmen einer Volksabstimmung, obwohl der Rat, die Verwaltung und die Stadtwerke es engagiert forciert hatten. In Bonn geht es um die Anbindung des Klinikums und des UN-Campus mit der Option einer Rheinquerung nach Ramersdorf. Eine Machbarkeitsstudie hat 12 Streckenvarianten untersucht und daraus zwei Vorzugstrassen herausgefiltert. Derzeit läuft die standardisierte Bewertung zur Feststellung der Wirtschaftlichkeit. In Hamburg scheiterte ein privatwirtschaftlich konzipiertes Seilbahnprojekt zur Anbindung der beiden Stage-Theater über die Elbe an die gut an den ÖPNV angebundenen Landungsbrücken an einem Bürgerentscheid im Bezirk.
Derzeit beginnen zahlreiche Städte neue Machbarkeitsstudien für urbane Seilbahnen: In München geht es im Münchener Norden um eine Querspange zwischen verschiedenen radialen Schienenstrecken zwischen Englischem Garten und dem BMW-Werk. In Frankfurt sind verschiedene Projekte in der Diskussion und eine mehr suburbane Seilbahn zur Verlängerung einer S-Bahnstrecke zum Feldberg und Taunusrand wird konkret untersucht. In Stuttgart sind drei verschiedene Seilbahnoptionen in der Diskussion. In Reutlingen wird ergänzend zu einer laufenden Stadtbahnplanung eine tangential zur Innenstadt verlaufende Seilbahn untersucht. In Konstanz geht es um eine Seilbahn für die Anbindung des peripheren Universitätscampus. In Heidelberg soll eine Seilbahn den Neckar queren und den Campus im Neuenheimer Feld, für den eine Straßenbahnanbindung nach langer Planung scheiterte, an den HBF und das Schienennetz sowie einen großen P&R-Platz an der Autobahn anbinden. Auch für Bremen, Kiel und Hannover werden neue Seilbahnoptionen diskutiert. Die spektakulärste Seilbahnidee wird derzeit für Köln diskutiert, mit dem sog. „Rheinpendel“, einer 32 km langen Addition mehrerer immer wieder den Rhein querender Teilstrecken mit 21 Stationen, die als Brückenersatz und schnelle reinparallele Nord-Süd-Verbindung gedacht ist und mehrere innovative Komponenten mit Seilbahnkreuzungen und Gabelungen haben würde und insofern am ehesten an das Vorbild aus La Paz heranreichen könnte. Hier wird die o.a. Reichweitengrenze von 7 km deutlich gesprengt, weil man durch ein spezielles Logistikkonzept die Wartezeiten an den Stationen minimieren will.
Masterpläne und Planungsschritte
Allen diesen Beispielen fehlt eine umfassende gesamtstädtische oder regionale Bedarfsanalyse, die ausgehend von einer Netzlückenanalyse klärt, wo dringender Netzergänzungsbedarf besteht. Und wo dann geklärt wird, welche Lücken mit welchen Systemantworten (Schnellbus, Straßenbahn, Stadtbahn, S-Bahn, Seilbahn) geschlossen werden können. Immer noch kommen urbane Seilbahnen nur für isolierte Einzelkorridore in die Diskussion.
Eine geeignete Planungsmethodik für eine integrierte Planung beginnt mit der Analyse des bestehenden ÖPNV Systems und besonders des Schienennetzes auf Netzlücken und Verlängerungsbedarfe und Verknüpfungspotenziale. Danach kann man klären, für welche dieser identifizierten Lücken Seilbahnen eine adäquate Lösung bieten könnten. Dann beginnt die Phase der Machbarkeitsstudien, um zu klären, wo und wie man in dem betreffenden Korridor am besten eine Seilbahn führen würde. Danach beginnt die Detailplanung mit der Auswahl des Systems und seiner Dimensionierung, der Positionierung der Stützen und Stationen und der Planung der ergänzenden Maßnahmen im übrigen ÖPNV-Netz zur Herstellung sinnvoller Verknüpfungen. Zu klären ist auch, wer die Seilbahn(en) betreiben soll und wie sie tarifiert werden sollen (am besten tarifintegriert). Prädestiniert als Betreiber sind die bestehenden Verkehrsbetriebe.
Bericht von Professor Heiner Monheim