SI Urban 3/2024, Special-Urban, Stadt
Saint-Gervais: Seilbahnen & Schrägaufzug
Saint-Gervais-les-Bains ist eine französische Gemeinde mit 5.700 Einwohnern und befindet sich am Mont- Blanc-Massiv in den Alpen. Der Thermalkur- und Wintersportort ist stark touristisch geprägt und besteht aus zahlreichen Orten, die im hügeligen Gelände zwischen 590 und 1.500 Metern Seehöhe verteilt sind.
Dementsprechend stark hängt die Mobilität der Einheimischen und Gäste vom klimaschädlichen Individualverkehr ab. Deswegen hat sich Saint-Gervais dazu entschieden, auf Seilbahntechnik des Herstellers POMA zu setzen.
Zwei Umlaufseilbahnen mit 10er-Kabinen und ein Schrägaufzug mit Wasserballast- Antrieb sollen die Mobilität im Ort nachhaltig und klimafreundlich prägen und die Zufahrtsstraßen entlasten.
Komfort:
Elegante und geräumige EVO-Panoramakabinen bringen die Gäste ans Ziel.
Mobilitätshub mit Eisenbahn
Bereits im Betrieb ist die Seilbahn „Le Valléen“. Sie startet im Ortsteil Le Fayet direkt am Eisenbahnbahnhof, an dem Fern- und Nahverkehrszüge halten. Von dort aus erreichen Gäste und Einheimische den Hauptort Saint-Gervais schnell, umweltfreundlich – und vor allem autofrei.
Die Anlage ist täglich von 07:00 bis 20:30 Uhr im Betrieb und kann mit ihren 10er-Kabinen 1.200 Personen pro Stunde und Richtung transportieren. Ein Direct-Drive-Motor mit Schallschutzelementen sorgt für einen leisen und komfortablen Transport.
Mobilitätshub:
Die Talstation Le Valléen ist räumlich mit dem Zugbahnhof vernetzt.
Technische Rafinessen
Die Seilbahn wurde nach „LIFE R‘way“ – dem Nachhaltigkeitskonzept von POMA – errichtet. Technische Details und eine optimierte Streckenführung (nur acht Stützen!) machen „Le Valléen“ zu einem effizienten und umweltschonenden Verkehrsmittel. So passt der EcoDrive die Fahrgeschwindigkeit dem Gästeaufkommen an. Darüber hinaus bietet E-Pilot eine digitale Betriebs- und Überwachungshilfe.
Derzeit im Bau ist die zweite Seilbahn. Sie erschließt vom Hauptort Saint-Gervais aus den Bergsportort Bettex auf 1.400 Metern Höhe und wird 4,3 Kilometer lang sein. Die Förderleistung wird 1.400 Personen pro Stunde betragen.
Technische Daten:
SEILBAHN LE VALLÉEN
Länge | 1. 785 m |
Höhenunterschied | 211 m |
Fahrgeschwindigkeit | 6 m/s |
Fahrzeit | 5 min |
Kabinen/Kapazität | 26 x 10 P |
Förderleistung | 1.200 P/h/d |
Schrägaufzug verkürzt Strecke
Der dritte Baustein im neuen Mobilitätskonzept ist ein Schrägaufzug, der seit Sommer 2024 den Thermalpark in Le Fayet mit dem Zentrum von Saint-Gervais verbindet. Das System benötigt nur fünf Minuten, um 16 Personen nach oben oder unten zu transportieren.
Die Fahrgäste sparen sich damit eine sechs Kilometer lange Autofahrt und ein Drittel der Reisezeit. Damit rückt der zweitgrößte Ortsteil Le Fayet mit 2.100 Einwohnern noch näher an den Hauptort Saint-Gervais heran.
Leistungsstark:
Je 16 Personen können mit dem Schrägaufzug eine Steigung von 44 Grad überwinden.
Antrieb mit Abwasser
Der Schrägaufzug ist der zweite seiner Art weltweit, denn er wird teils mit Abwasser betrieben. Inspiriert von Techniken, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet wurden und durch moderne Technologien weiterentwickelt, nutzt die Anlage Abwasser als Energiequelle, zusätzlich zur elektrischen Motorisierung.
Ausgestattet mit einem Ballastbehälter von einem Kubikmeter unter der Kabine, erzeugt das System durch einen Kolbenmechanismus ein Ungleichgewicht, wodurch der Aufstieg der Kabine nahezu ohne Energie mittels eines Gegengewichts ausgelöst wird. Der Tank wird also in der oberen Station mit Abwasser gefüllt und entleert sich hermetisch in das Abwassernetz in der unteren Station.
Bis zu 80 Prozent des benötigten Stroms wird so durch die gekoppelten Generatoren erzeugt. Dank eines Systems aus Ventilen und Auslassvorrichtungen leert sich der Füllbehälter in den Ballasttank des Fahrzeugs, wobei Gerüche in einem Luftbehandlungszirkulationssystem mit Aktivkohle eingefangen werden.
In der unteren Station entleert sich der Ballasttank durch ein Ventilspiel in das kommunale Netz. Ein zusätzliches Trinkwassernetz gewährleistet die regelmäßige Reinigung der Systemkomponenten.
Die Talstation:
fügt sich dezent in die Umgebung ein.
Sichere Strecke
Wie bei einem klassischen Aufzug erfolgt die Automatisierung des Systems durch die Passagiere selbst über die Aufruftasten, die in jeder Station angebracht sind. Der Standort ist gesichert, mit automatischen Türen an jedem Ende des Gleises, die sich hermetisch schließen.
Das sogenannte „saubere“ Gleis ist durch Zäune umschlossen, um die Sicherheit der Passagiere und des Bereichs zu gewährleisten. Das gesamte System bewegt sich auf einem einspurigen Metallviadukt, das auf 14 punktuellen Stützen in der Neigung sowie einer Stütze in jeder Station ruht und so optimale Stabilität gewährleistet.
Die Bergstation
des Schrägaufzugs ist dezent gestaltet und drängt sich nicht auf.
Umfassendes Mobilitätskonzept
Der Schrägaufzug erfordert eine Gesamtinvestition von sechs Millionen Euro, die teilweise vom Département Haute-Savoie, der Region Auvergne- Rhône-Alpes, der französischen Regierung und europäischen Fördermitteln bereitgestellt werden. Die Stadt Saint-Gervais trägt die übrigen 4,3 Millionen Euro.
Der Schrägaufzug ist in das Mobilitätsnetz vor Ort integriert, welches – neben den beiden erwähnten Seilbahnen – elektrische Shuttle-Services und Radinfrastrukturen umfasst. Die zweite Seilbahn – eine Ersatzanlage für eine bestehende Seilbahn – wird mehrheitlich vom örtlichen Skigebietsbetreiber finanziert.
Technische Daten:
SCHRÄGAUFZUG SAINT-GERVAIS
Länge | 255 m |
Höhenunterschied | 177 m |
Fahrgeschwindigkeit | 4 m/s |
Fahrzeit | 5 min |
Kabinen/Kapazität | 1 x 6 P |
Stützen (Metallviadukt) | 14 |
Steigung | 44° (97%) |