Stadt
Seilbahnen: Stadtverkehr der Zukunft
Projekte für die Implementierung von Seilbahnen in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gibt es in ganz Europa.
In Deutschland läuft aktuell die Bahn in Koblenz, weitere in Bonn und Stuttgart sind in Planung, Überlegungen zu Projekten in Berlin und Köln laufen. Sie sollen den ÖPNV in den Städten ergänzen und entlasten.
Der bisherige Stand des ÖPNV in den deutschen Städten ist unzureichend: Obwohl das Pendeln per Auto mit Staus, Lärm und Abgasausstoß verbunden ist, sind viele Menschen gezwungen, auf ihre Autos zurückzugreifen, da die öffentlichen Verkehrsmittel schlichtweg zu wenig ausgebaut sind und dort, wo sie es sind, schnell an ihre Grenzen stoßen.
Große Studie
Wo genau die Vorteile der Stadtseilbahn liegen und wie realistisch deren Umsetzung im großen Stil ist, untersucht nun die Studie „Urbane Seilbahnen im ÖPNV. Innovativ, nachhaltig – und ein sinnvoller Lösungsansatz?“ von Pricewaterhouse Coopers Deutschland (PwC).
Hierfür wurden sowohl die Merkmale, Hintergründe und aktuellen Trends der Seilbahnen untersucht, als auch die Umsetzungsmöglichkeiten für diese. Abschließend resümierten die Experten von PwC, ob die Seilbahnen tatsächlich als Lösungsansatz dienen können.
Merkmale der urbanen Seilbahn im Verkehr
Aus verkehrstechnischer Sicht liegt bei urbanen Seilbahnen der Fokus auf die Zuverlässigkeit und die Rate des Personentransportes. Bei den Bahnen sind Förderraten von 6.000 Personen pro Stunde keine Seltenheit – genau wie Takte von 30 Sekunden, in denen die Kabinen an der Station eintreffen.
Auch die Tatsache, dass die Seilbahnen auf ihrer eigenen Trasse fahren – sprich, nicht auf den Straßen, gemeinsam mit den unzähligen Bussen und Autos, kommt ihnen zugute und kompensiert die mit 20 Stundenkilometern eher niedrige Beförderungsgeschwindigkeit. Diese kann aufgrund der Freiheit von Staus und anderen äußeren Einflüssen kontinuierlich gehalten werden.
Hinzu kommt, dass die Bahnen die ideale Möglichkeit sind, um zwei Punkte miteinander zu verbinden, besonders wenn die geographischen Gegebenheiten andere Verkehrsmittel ausschließen. Flüsse, Berge und andere Hindernisse werden einfach überquert.
Auch der enorme Fahrkomfort durch die gemütliche Fahrweise der Bahnen und der oft phänomenale Ausblick über die Stadt machen die urbanen Seilbahnen zu einem wahren Erlebnis.
Technische Merkmale von Seilbahnen
Die PwC-Studie legt den Fokus auf die Luftseilbahnen, welche in der urbanen Mobilität zunehmend Verwendung finden, nicht alternative Bahnen, wie beispielsweise Standseilbahnen.
Die Kabinen dieser Bahnen können nach aktuellem Stand zwischen 6 und 200 Passagieren transportieren. Auch in Sachen Barrierefreiheit bestehen viele Möglichkeiten, den Passagieren entgegenzukommen – was für eine realistische Einführung in den Personennahverkehr auch vonnöten ist.
So lassen sich Fahrräder, aber auch Kinderwagen oder Rollstühle in den Gondeln unterbringen. Das macht die Seilbahn zu einer echten Alternative für alle potenziellen Mitfahrer. Um der Verkehrsbehinderung durch stärkere Winde vorzubeugen, können die Seilbahnen in betroffenen Gebieten bis zu drei Seile nutzen.
Bei der sogenannten Dreiseilumlaufbahn kommen zusätzlich zum Zugseil zwei parallel dazu verlaufende Trageseile zum Einsatz, auf denen die Klemme der Gondeln sitzt. Das erhöht die Stabilität der Bahn.
Die Freiheit bei der Gestaltung der Seilbahnstationen erlaubt es, diese teilweise in bereits bestehende Gebäude zu integrieren. So wird der ohnehin geringe Verbrauch an Grundfläche weiterhin reduziert – schließlich benötigen die Seilbahnen nur ihre Stationen und keine Fläche für die Fahrbahn.
Wirtschaftliche Merkmale von Seilbahnen
Die Studie setzt sich auch mit den finanziellen Aspekten einer urbanen Seilbahn auseinander:
Die ohnehin schon geringen Investitionskosten einer Stadtseilbahn liegen mit 10 bis 20 Millionen Euro pro Kilometer weit unter den immensen Kosten, die eine Zugverbindung mit sich bringen würde und sind vergleichbar mit denen einer Straßenbahn. Hinzu kommen die hohen Förderleistungen, die Bund und Länder bereit sind, diesen Projekten beizusteuern.
Im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegen diese bei stolzen 90 Prozent der Gesamtkosten. In Anbetracht dessen sowie der Tatsache, dass bei Seilbahnen der Bau eines Betriebshofes entfällt, wie ihn etwa die Busse und Straßenbahnen benötigen, kann durchaus von geringen Investitionskosten für urbane Seilbahnen gesprochen werden.
Eine besonders schnelle Bauzeit von 12 bis 18 Monaten macht auch das zeitaufwendige Planungsfeststellungsverfahren wieder wett, welches vergleichbare Projekte, wie etwa U-Bahnen ebenfalls benötigen – bei einer Bauzeit von fünf bis zehn Jahren.
Mit einem Energieverbrauch von weniger als der Hälfte des Verbrauchs einer Straßenbahn und geringen Instandhaltungskosten können die Seilbahnen weiter punkten.
Sicherheitstechnische Merkmale
In puncto Sicherheit liegen die Seilbahnen auch ganz vorne:
Während statistisch gesehen alle 225.000 Betriebskilometer ein Unfall mit einer Straßenbahn stattfindet und bei Bussen alle 616.000, liegt der Wert für eine Seilbahn erst bei 17.000.000 Kilometern, was sie zu einem extrem sicheren Verkehrsmittel macht.
Da sie beim Betrieb außerdem kaum Emissionen verursachen, die der Luft schaden, können sie zu einer Steigerung der Luftqualität in den Städten beitragen.
„Seilbahnsysteme sind sehr klimafreundlich, sie belasten die Umwelt fast überhaupt nicht. Und sie brauchen wenig Fläche und sind sehr leise – auch das wirkt sich positiv auf ihre Umweltbilanz aus.“ sagt Maximilian Rohs, Senior Manager Infrastructure & Mobility bei PwC Deutschland.
Politisch-rechtliche Merkmale von Seilbahnen
Es muss aber zugegeben werden, dass auch die Seilbahn nicht perfekt ist und vor ein paar Herausforderungen steht: Vor dem Bau muss ausführlich geprüft werden, wie die Seilbahnen, die über Wohngebiete fahren, die Bewohner beeinträchtigen.
Außerdem geht aufgrund der regelmäßigen Abstände zwischen den Stützen ein gewisses Maß an Flexibilität der Routenplanung verloren, welche unter Umständen nur nach Enteignung von Grundstücken an die richtigen Stellen gesetzt werden können.
Seitens der vom Bau betroffenen Bürger kommt regelmäßig starker Protest, wie beispielsweise in Wuppertal.
Einsatzbereiche von urbanen Seilbahnen
Ziel des Einsatzes von Stadtseilbahnen ist es bisher nicht, die bestehenden öffentlichen Verkehrsmittel zu ersetzen. Es geht darum, Lücken in den aktuellen Netzen zu schließen und den insgesamten Ablauf fließender zu machen.
Besonders ausgelastete Strecken können durch die Konstruktion einer Seilbahn eine Redundanz erhalten. Allerdings schränken die speziellen Anforderungen an den Bau auch die Einsatzmöglichkeiten etwas ein.
Die PwC-Studie bringt Voraussetzungen und Einsatzgebiete auf den Punkt:
Städte, die über begrenzten Raum verfügen, können vom minimalistischen Fußabdruck der Seilbahnanlagen profitieren, während andere die Seilbahn als Bindeglied zwischen Bahnhöfen und anderen Anlagen nutzen. Auffällig ist jedoch, dass Seilbahnen bisher vorwiegend Strecken befahren, die eine geringe Distanz überqueren und selten voll ausgelastet sind.
Schematische Darstellung
der Einsatzmöglichkeiten urbaner Seilbahnen.
Fazit
Während oder vielleicht gerade weil deutschlandweit und global immer mehr Diskussionen zum Thema urbane Seilbahnen aufkommen, ist klar, dass sie einen erheblichen Beitrag zur Umstellung auf nachhaltige, innovative Verkehrsmittel haben könnten.
Wie die PwC-Studie allerdings darstellt, gibt es noch ein paar Hürden zu überwinden, wie die Ablehnung der betroffenen Bürger. Dies stellt allerdings kein exklusives Problem für die Seilbahnen dar, sondern betrifft alle vergleichbaren Verkehrsmittel im ÖPNV, wie Stadtbahnen und Straßenbahnen.
Aus umwelt- und kostentechnischer Sicht überzeugen die Seilbahnen jedoch immens: Sowohl die kostengünstige, schnelle Bauweise als auch die umweltbewusste, nachhaltige, rein elektrische Betreibung sorgen für einen positiven Einfluss auf den Stadtverkehr und die Lebensqualität in den Großstädten.
Die Studie von PwC kommt zu dem Schluss, dass Seilbahnen als Lösungsansatz für den ÖPNV durchaus sinnvoll sind, allerdings lässt sich keine verallgemeinernde Aussage für alle Städte treffen, sondern die Verantwortlichen müssen ihre jeweiligen Gegebenheiten überprüfen, ob die urbane Seilbahn die beste Lösung für die akuten Verkehrsprobleme ist.