SI Urban 1/2021, Stadt
Vergleichsstudie bestätigt Vorteile der ,,Dritten Dimension“
Entsprechend den Standards ISO 14040/44 hat Professor Jörg Niemann von der HS Düsseldorf gemeinsam mit den renommierten Nachhaltigkeitsexperten der denkstatt GmbH Ökobilanzen von Kleinbus, Großbus und Seilbahn sowie einer fiktiven Straßenbahn auf Basis der „Línea Roja“ in La Paz (Bolivien) evaluiert. Die Studienergebnisse wurden nun von drei unabhängigen Instituten auditiert.
Wie wurde verglichen?
Um einen wissenschaftlichen Vergleich der verschiedenen Verkehrsmittel zu ermöglichen, wurde eine funktionale Einheit nach ISO 14040/14044 gebildet. Die Vergleichbarkeit erreichte man, in dem man den kompletten Lebenszyklus der verschiedenen Systeme von der Produktion über den Betrieb bis zur Entsorgung vergleicht.
Wichtig ist hierbei, dass eine einheitliche Transportanforderung von A nach B von den zu vergleichenden Systemen erfüllt wird. So ergeben sich bei der Lebenszyklusanalyse mit offenem Recyclingansatz reale Fußabdrücke der Gesamtemissionen.
Die Seilbahn startet von der Station 16 de Julio in El Alto, endet an der Estación Central in La Paz und über- windet dabei einen Höhenunterschied von 402 Metern. Die Grundlage für den Vergleich bildet ein durchschnittlicher Betriebstag mit einer 69-prozentigen Auslastung, das bedeutet 2.059 Personen pro Stunde und Richtung.
Dieser 17-stündige Betriebstag wird auf 365 Tage im Jahr für eine Betriebsdauer von 30 Jahren für die Ermittlung der Betriebsphase angesetzt. Die untersuchte Seilbahn hat eine Länge von 2.349 Metern. Die alternative Busverbindung ist nur über eine Strecke von 12,4 Kilometern möglich, für die Belastungen der fiktiven Straßenbahn wurde dieselbe Strecke angenommen.
Die von der Stadt realisierte Mobilitätslösung Seilbahn hingegen nutzt die dritte Ebene und schwebt über den Stadtverkehr hinweg und verkürzt die Strecke um 10,1 Kilometer.
Dies wirkt sich positiv auf die Fahrzeit aus. Nur zehn Minuten dauert die Fahrt, wobei durch die kontinuierliche Verfügbarkeit der Gondeln keine Wartezeiten beim Nutzer anfallen. Die Fahrt mit Bus oder Straßenbahn würde dagegen mindestens 18 Minuten dauern – vorausgesetzt, es gibt keinen Stau.
Wie lauten die Ergebnisse?
In der ökologischen Gesamtbelastung sind die Unterschie- de zwischen den Verkehrssystemen eklatant: Während ein kleiner Bus 267.197 Tonnen CO2-Äquivalent verursacht, hat die Seilbahn nur 48.205 Tonnen CO2-Äquivalent zu verantworten. Auch die Unterschiede zum großen Bus (242.197 Tonnen) und zur Straßenbahn (215.093 Tonnen) sind erheblich.
Die Zahlen beziehen sich auf den gesamten Produktzyklus eines Verkehrsmittels – quasi von der Wiege bis zur Barre. Bei der Seilbahn “Línea Roja” zeigt sich, dass der Großteil der Treibhausgase (82,5 Prozent) auf die Nutzung zurückzuführen ist.
Das Material trägt mit elf Prozent zur Ökobilanz bei. Die weiteren Phasen „Produktion“ (0,5 Pro- zent), „Distribution“ (drei Prozent) und „End of Life“ (drei Prozent) verursachen dagegen vergleichsweise wenig Treibhausgase. Mit „End-of-Life“ ist die Demontage und Entsorgung der Anlage nach 30 Jahren gemeint, wobei kei- ne Gutschrift für die recycelbaren Materialien berücksichtigt wird.
Die Betriebsphase der Seilbahn (die Nutzung) ist mit 39.804 Tonnen CO2-Äquivalent also der größte Emittent innerhalb der Produktphasen. Hier ist die Aufteilung zwischen Strommix und Instandhaltung während des Betriebs der Seilbahn zu beachten: 92 Prozent der emittierten Treibhausgase fallen in den verwendeten bolivanischen Strommix, acht Prozent unter die Instandhaltung.
Was schließen wir daraus?
Die Ergebnisse bestätigen einmal mehr die urbane Seilbahn als nachhaltigstes Verkehrsmittel. Mit der seit Jahrzehnten technisch bewährten Seilbahntechnologie in der urbanen Mobilität fördern Seilbahnhersteller, wie DOPPELMAYR, Städte im Sinne des UN-Nachhaltigkeitsziel „11. Nachhaltige Städte und Kommunen“ im Erhalt der Lebensqualität aktueller sowie zukünftiger Städtebewohner.
Die Seilbahn bedeutet eine verlässliche, leicht integrierbare sowie ver- netzbare Lösung in der urbanen Mobilität. Drei Punkte sind hier besonders bedeutsam:
Erstens: Die Seilbahn kann Städten helfen die Dekarbonisierung voranzutreiben: Die Seilbahn verursacht keine lokalen Emissionen wie z.B. Stickstoffoxide (NOx) oder Feinstaub. Sie hat ganzheitlich den kleinsten CO2-Fußabdruck im Vergleich zu anderen Verkehrssystemen.
Und nicht zuletzt erzielt der elektrische Antrieb maximale Energieeffizienz und einen hohen Wirkungsgrad.
Zweitens: Die Seilbahn stellt eine umweltfreundliche Mobilitätslösung dar, welche die Lebensqualität in Städten verbessert. So erhöht sie die Luftqualität und verringert den Lärm, wenn sie andere Verkehrsmittel ersetzt.
Der geringe Flächenbedarf ermöglicht eine Implementierung im urbanen Umfeld und sichert den Erhalt von Gebäuden, Grünflächen und Denkmälern.
Drittens: Die Seilbahn schafft zugängliche Mobilität für alle. Der Ein- und Ausstieg ist barrierefrei. Für Menschen mit Bewegungseinschränkungen ist so eine einfache Nutzung möglich. Im Umlaufbetrieb gibt es durch die ständige Verfügbarkeit der Kabinen keine Wartezeiten.
Dabei können Kapazitäten bis zu 6.000 Personen pro Stunde und Richtung erreicht werden. Nicht zuletzt ermöglicht die Kosteneffizienz in Umsetzung und Betrieb eine sozialverträgliche Preisgestaltung für alle Nutzer.
Quelle: Jörg Niemann, Julian Bruckmann, Florian Krautzerg (2020): Green City Deals: A study on the global warming potential of alternative urban transportation systems. Online unter https://doi.org/10.20385/kd43-fz18