SI Urban 1/2020, Stadt
Vernetztes Seilbahnsystem
Das deutsche Start-Up URBAN Netways hat angesichts der Seilbahnpläne in Köln ein Seilbahnsystem entwickelt, das über schnelle Weichen und Kreuzungen individuelle Fahrten ermöglicht.
Das Ergebnis ist spektakulär: Beim „Rheinpendel Express“ handelt es sich um ein vernetztes Seilbahnsystem, das über schnelle Weichen und Kreuzungen individuelle Fahrten ermöglicht. In einem Netz mehrerer Stationen können Personen mit ihrer Gondel immer die direkte Wegverbindung zum Ziel fahren – ohne Stopps und Umsteigen.
Ein eigens dafür programmierter Algorithmus steuert dabei die Routen und optimale Auslastung der Gondelkapazitäten. Dadurch können nach bisherigen Simulationen die Fahrzeiten im Vergleich zum linearen Seilbahnsystem bis zu 50 Prozent reduziert werden, häufiges Umsteigen entfällt. Das Netz benötigt zudem eine deutlich geringere Anzahl an Seilstrecken und Gondeln.
Nach bisherigen Recherchen und Gesprächen mit Vertretern der Verkehrswissenschaft und der Seilbahnhersteller sind für ein solch innovatives Konzept die Hardware und alle technischen Grundlagen für ein IT-System vorhanden. Die Kombination aus Gondeln, Weichen und innovativer Steuerungstechnik ist allerdings ein bislang weltweit einmaliges Konzept mit enormen Potenzial für Köln – wie auch für anderen Städte in denen Seilbahnprojekte diskutiert werden (aktuell etwa in
Berlin oder Bonn).
Vernetze Seilbahn
„Seilbahnen bieten beste Voraussetzungen für einen vernetzten, individuelleren öffentlichen Nahverkehr“, sagt Entwickler Fabian Weber. So ermöglicht das System kürzere Fahrten ohne Stopps und Umsteigen – direkt von der Start- zur Zielstation. (Je länger die Strecke, desto größer der Zeitgewinn.) Die Kreuzungen führen zu direkteren Streckenführungen.
Es gibt Stationen in jede Richtung (für ein wachsendes Verkehrsnetz) und eine flexiblere Planung von Seilstrecken für eine konfliktfreiere Integration in das Stadtbild.
Zudem sind die Investitionen für Schnellschaltweichen und IT-System kostenneutral, da weniger Seillängen und Stützen benötigt werden (weniger Umwege). Kleinere Stationen haben nur noch einen Zu- und Ausstiegsbereich für beide Richtungen. So kann die gleiche Zahl an Passagieren mit weniger Fahrzeugen befördert werden (durch schnellere Ankunft und bedarfsgerechten Einsatz).
Kreuzungen
Herzstück des innovativen Konzepts sind die Kreuzungen. Diese ermöglichen mit schnellen Weichen ein Netz aus individuell geleiteten Gondeln. Eine vorausplanende Routenerstellung und damit verbundene Seilbelegung stellt vor dem Start von Fahrzeugen sicher, dass Fahrzeuge bei ihrer Ankunft an Weichen direkt weitergeleitet und Mindestabstände eingehalten werden.
Stationen
Der Zustieg für die Passagiere soll so einfach wie möglich erfolgen. Die Fahrgäste wählen per App oder Automat ihr Ziel aus, zahlen den Fahrpreis und warten auf den Aufruf bzw. auf die Anzeige zum Einsteigen. Dann scannen sie ihr Ticket bzw. App am Zugang, bevor sie in ihre Kabine einsteigen und – im besten Fall – ohne Halt direkt zu ihrem Ziel gelangen.
Die Stationen sind dafür mit Zielwahl- und Ticketautomaten, Displays für Einstieg und Wartezeiten, sowie mit Express Check-In (mit Ticket Scan) ausgestattet. Zwei getrennte Einstiege (mit Ausstieg) und ein zusätzlicher Ausstieg verhindert Kollisionen zwischen den Gästen. Einstiegsnummern, Wartezeiten und Schlangen vor dem Eingang werden nur bei einem höheren Passagieraufkommen als gegebener Gondelkapazitäten nötig, um eine gerechte Verteilung zu gewährleisten.
„Lediglich in Stoßzeiten werden Passagiere mit derselben Richtung aber unterschiedlichen Zielen in einer Kabine gebündelt“, so Weber. Mithilfe von Schnellschaltweichen können Stationen mit Durchfahrtsbereich realisiert werden. Da städtischer Raum oft wenig Fläche für zusätzliche Gebäude bietet, erscheinen Endstationen und Mittelstationen mit nur einem Zu- und Ausstiegsbereich besonders attraktiv.
Durch eine Vernetzung lassen sich Stationen flexibel gestalten, um je nach örtlichen Voraussetzungen eine passende Station zu errichten. Sie lassen sich auf einer oder mehreren Ebenen planen und können für einen späteren Netzausbau von Anfang an erweiterbar gedacht werden.
IT-Steuerungssysteme
Ein – in Simulationen bereits funktionierendes – IT-System mit Algorithmen und Datenbank steuert die Zuteilung von Passagieren zu Fahrzeugen, die Wege der Fahrzeuge und die Reservierung von Weichen.
Es erhält Informationen über die Orte der Fahrzeuge sowie Passagierangaben und übergibt kontinuierlich nach Ermittlung der effizientesten Ergebnisse diese an das Seilbahnsystem, die Wartenden und das Personal. Bis zur Fertigstellung der IT-Infrastruktur und bei technischen Problemen kann das Seilbahnsystem auch im linearen Modus mit allen Stopps und Umsteigepunkten arbeiten.
Alternative Wege
An Orten mit einem kleineren Streckennetz oder in einer Pilotphase lassen sich Vorteile vernetzter Systeme auch ohne IT-System, ohne elektronischer Zielwahl und Gondelzuteilung vor Fahrtantritt umsetzen, etwa ein Seilbahnsystem, an denen z.B. jede zweite Gondel abbiegt oder wo das System an Mittelstationen vorbeifährt (Haltewunsch-Taste).
Zusätzlich zu Personen können optional auch Güter kostengünstig, ressourcenschonend und schnell von und zu Stationen transportiert werden. Leerfahrten werden so gefüllt, das bestehende Gesamtsystem optimal genutzt und der Straßenverkehr entlastet.